
Fleischersatz und Depression. Eine aktuelle Studie legt nahe, dass der häufige Konsum von Fleischersatzprodukten bei Vegetarier:innen mit einem erhöhten Risiko für depressive Symptome verbunden sein könnte. Die Ergebnisse werfen Fragen zur Rolle hochverarbeiteter Lebensmittel in der pflanzlichen Ernährung auf. Fachleute betonen jedoch, dass weitere Forschungen nötig sind und warnen davor, voreilige Schlüsse zu ziehen.
Depressionen: Ernährung spielt wichtige Rolle
Frankfurt – Laut dem Deutschland-Barometer Depression waren im Jahr 2024 rund 45 Prozent der Bevölkerung entweder direkt oder indirekt von Depression betroffen. Eine ernstzunehmende Erkrankung, bei der es wichtig ist, frühe Warnzeichen zu erkennen und ernst zu nehmen.
Die Entstehung einer Depression ist vielschichtig und wird meist durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren ausgelöst. Nach Angaben der Oberberg-Kliniken zählen dazu unter anderem genetische, kognitive und physiologische Einflüsse sowie belastende Lebensereignisse oder traumatische Erfahrungen – Aspekte, die sich oft nur schwer beeinflussen lassen.
Zunehmend rückt jedoch auch die Bedeutung von Umwelt- und Lebensstilfaktoren in den Fokus der Erforschung von Depressionen. So zeigen Studien, dass Aspekte wie Ernährung, Schlafverhalten und körperliche Aktivität eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit spielen können.
Studie: Höheres Depressionsrisiko durch verarbeitete Fleischersatzprodukte bei Vegetariern
Eine im Dezember 2024 im Fachjournal Food Frontiers veröffentlichte Studie der University of Surrey weist auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Konsum verarbeiteter pflanzlicher Fleischalternativen (PBMAs) und einem erhöhten Depressionsrisiko hin. Demnach hatten Vegetarier:innen, die regelmäßig solche Produkte verzehrten, ein um 42 Prozent höheres Risiko, an Depressionen zu erkranken, verglichen mit Vegetariern, die stattdessen auf vollwertige Proteinquellen wie Kichererbsen, Eier oder Bohnen setzten.
Die unter der Leitung von Hana Navratilova durchgeführte Untersuchung stützt sich auf Daten der UK Biobank. Über 3.300 vegetarisch lebende Personen, darunter auch solche mit gelegentlichem Fischkonsum, wurden hinsichtlich ihrer Ernährung sowie durch Bluttests analysiert. Die Forschenden berücksichtigten dabei verschiedene Einflussfaktoren.
Einige Einschränkungen weist die Studie jedoch auf: Die Ernährungsdaten wurden nur zu Beginn der Untersuchung erhoben, spätere Veränderungen im Essverhalten blieben unberücksichtigt. Außerdem beziehen sich die Ergebnisse überwiegend auf weiße Teilnehmer:innen im Vereinigten Königreich, was die Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen einschränkt. Die fehlende Diversität führt darüber hinaus auch dazu, dass die Ergebnisse der Studie nicht global übertragbar sind, da kulturelle wie umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen könnten.
Depression und Fleischersatz: Produkte aus dem Supermarkt nicht pauschal ungesund
Die Studie macht jedoch auch deutlich, dass pflanzliche Fleischersatzprodukte (PBMAs) nicht grundsätzlich als ungesund einzustufen sind. Hinsichtlich der Aufnahme von Natrium, freiem Zucker, Gesamtzucker und gesättigten Fettsäuren zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede zwischen Konsumenten und Nicht-Konsumenten. Im Gegenteil: Der Konsum von PBMAs wurde sogar mit einem um 40 Prozent verringerten Risiko für das Reizdarmsyndrom in Verbindung gebracht.
Allerdings gilt auch: Fleischfrei ist nicht automatisch klimafreundlich. Die Umweltbilanz variiert je nach Produkt und Herstellungsverfahren deutlich.
Fleischersatz und die Chemie
Ein häufig geäußerter Vorwurf – Fleischersatz sei voller Chemie – wird durch die Studienlage ebenfalls relativiert. Susanne Klaus, Lebensmittelforscherin am Deutschen Institut für Ernährungsforschung, betonte gegenüber dem WDR, dass in Deutschland strenge Vorschriften für Zusatzstoffe gelten und darüber hinaus strenge Richtlinien und Kontrollen zu den verwendeten Zusatzstoffen auch stattfinden. Was bedeutet: „Das, was wir hier in Deutschland auf den Markt bekommen, ist lebensmitteltechnisch unbedenklich.“
In Österreich gelten, wie auch die Deutschland, die gleichen EU-weiten Vorschriften für die Zulassung und Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen. Die Zulassung und Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen wird durch EU-weit geltende Verordnungen geregelt (insbesondere Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 und Verordnung (EU) Nr. 231/2012). Ein Zusatzstoff darf somit nur verwendet werden, wenn er gesundheitlich unbedenklich, technologisch notwendig ist und Verbraucher:innen nicht in die Irre führt. Für jeden zugelassenen Zusatzstoff gibt es auch festgelegte Höchstmengen, und die Einhaltung dieser Werte wird regelmäßig überwacht.
Mögliche Auswirkungen auf Blutwerte
Die Studie ergab jedoch, dass Personen, die regelmäßig pflanzliche Fleischersatzprodukte (PBMAs) konsumierten, im Vergleich zu darauf Verzichtenden leicht erhöhte Werte bei bestimmten Gesundheitsmarkern aufwiesen: Dazu zählen ein höherer Blutdruck, erhöhte CRP-Werte (C-reaktives Protein, ein Entzündungsmarker) sowie niedrigere Apolipoprotein-A-Werte – ein Protein, das mit dem „guten“ HDL-Cholesterin in Verbindung steht.
Abgesehen vom festgestellten erhöhten Depressionsrisiko zeigten sich jedoch keine signifikanten Unterschiede beim Risiko für andere Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden, Typ-2-Diabetes, Adipositas oder Krebs.
Fleischersatz und Depression: Fachleute warnen vor voreiligen Schlüssen
Auch wenn ein Zusammenhang zwischen Depressionen und Fleischersatzprodukten nahegelegt wird, so entwarnen die Studienleiter jedoch. Professorin Nophar Geifman, Expertin für Gesundheits- und Biomedizininformatik, beruhigt und empfiehlt weitere Untersuchungen zu dem Thema durchzuführen.
„Die Gesamtergebnisse sind beruhigend und deuten darauf hin, dass pflanzliche Fleischalternativen eine sichere Option darstellen können, wenn sie Teil einer insgesamt ausgewogenen Ernährung sind. Dennoch sollte der mögliche Zusammenhang zwischen diesen Lebensmitteln, Entzündungen und Depressionen weiter untersucht werden.“
Auch ihr Kollege Professor Anthony Whetton unterstreicht die Bedeutung weiterer Forschung:
„Weitere Forschung, einschließlich Langzeitstudien und Untersuchungen mit vielfältigeren Bevölkerungsgruppen, ist notwendig, um diese Ergebnisse sowie den Zusammenhang zwischen vegetarischer Ernährung und Stimmung zu bestätigen.“
Fleischersatzprodukte: Produktion steigt
Die Produktion von Fleischersatzprodukten steigt währenddessen ungebremst an, und soll in Österreich, laut Prognosen, im Jahr 2030 ein Marktvolumen von 84,49Mio. Euro erreichen. Dies entspricht einem jährlichen Umsatzwachstum von 10,43% (CAGR 2025-2030). Der Umsatz im Markt Fleischersatzprodukte beträgt 2025 etwa 51,29Mio. Euro. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahl in ganz Österreich werden in diesem Markt im Jahr 2025 etwa 5,63€ pro Kopf umgesetzt.
Titelbild @ Nik Shulliahin via unsplash (Zugriff 26.05.2025)