Dynamic Pricing

Eine flexible Preisgestaltung – auch bekannt als Dynamic Pricing – ist kein neues Phänomen. Insbesondere in der Hotel- und Tourismusbranche gehört eine dynamische Preisliste schon lange zum Alltag. Doch wie verhält es sich in der Gastronomie? Können Restaurants überhaupt dynamische Preise einführen? Und falls ja, für welche Betriebsmodelle wäre das realistisch oder sinnvoll?

Dynamic Pricing: Was versteht man unter dynamischer Preisgestaltung?

Bevor wir tiefer ins Thema einsteigen, lohnt sich ein Blick auf den Begriff „Dynamic Pricing“: Er lässt sich auf verschiedene Weise definieren. Die Unternehmensberatung McKinsey beschreibt ihn als „eine (teilweise oder vollständig) automatisierte Preisänderung“. Damit ist gemeint, dass Preise flexibel angepasst werden – von einfachen bis hin zu sehr komplexen Methoden. Eine einfache Variante wäre etwa, die Preise pauschal ein- oder zweimal jährlich anzupassen. Diese Methode vernachlässigt jedoch Unterschiede in der Preisempfindlichkeit der Kundschaft sowie tages- oder saisonabhängige Nachfrageschwankungen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen datenbasierte Verfahren, die es ermöglichen, je nach Produkt und Zeitraum die wirtschaftlich sinnvollsten Preise zu bestimmen.

Wo begegnen wir dynamischer Preisgestaltung bereits im Alltag?

Tatsächlich ist das Prinzip dynamischer Preisfindung vielen von uns vertraut – insbesondere aus dem Reisebereich. Wer beispielsweise erst kurzfristig einen Flug bucht, stellt häufig fest, dass der Preis deutlich höher liegt als bei einer frühzeitigen Buchung. Flug- und Hotelpreise schwanken abhängig von Wochentag, Uhrzeit oder auch Buchungszeitpunkt. Dieses Konzept nutzen nicht nur Reiseanbieter, sondern auch große Onlinehändler, um Umsätze zu steigern: Ist die Nachfrage hoch, steigen die Preise – bei geringem Interesse werden sie gesenkt, um Kunden anzulocken. Angesichts von Inflation, steigenden Kosten für Lebensmittel und Personal sowie wachsender Ausgabenzurückhaltung seitens der Konsumenten, steht auch die Gastronomie unter Druck. Eine dynamische Preisstrategie könnte hier ein wirksames Mittel sein, um die Wirtschaftlichkeit langfristig zu sichern.

Dynamic Pricing: Müssen klassische Preisstrategien überdacht werden?

Die Gastronomie steht weiterhin vor erheblichen Herausforderungen. Durch die Corona-Pandemie haben sich viele Geschäftsmodelle grundlegend gewandelt. Als der Innenbereich zeitweise geschlossen bleiben musste, stellten zahlreiche Betriebe auf Take-away und Lieferservices um. Laut dem „Square Future of Restaurants“-Report sind über 90 Prozent der Gastronomen dazu bereit Küchenautomatisierung zu nutzen, um ihre Abläufe effizienter zu gestalten, aber auch offen dafür, mit ihrem Menü zu experimentieren. Auch den Umstieg auf Online-Bestellmöglichkeiten haben viele Lokale für sich nutzen können. Auch erwarten 62 Prozent der Restaurants, dass ihr Umsatz zu einem großen Teil (im Durchschnitt 62 %) aus Takeaway- und Lieferbestellungen stammt.

Viele Betriebe setzen verstärkt auf Lieferung

Der anhaltende Fachkräftemangel stellt die Gastronomiebranche weiterhin vor große Herausforderungen. Laut aktuellen Erhebungen berichten rund 73 % der Restaurants von Personalengpässen, wobei durchschnittlich etwa 21 % der Stellen unbesetzt bleiben. Diese Zahlen spiegeln einen branchenweiten Trend wider: 70 % der Restaurantbetreiber geben an, dass offene Stellen schwer zu besetzen sind, und 45 % verfügen nicht über genügend Mitarbeiter, um die Kundennachfrage zu decken.

Warum flexible Preise für Restaurants sinnvoll sein können

Restaurants arbeiten mit festen Platzkapazitäten – das Ziel ist daher, möglichst alle verfügbaren Plätze auszulasten. Diese Auslastung schwankt allerdings je nach Tageszeit, Wochentag oder Saison. Hinzu kommt, dass viele Lebensmittel schnell verderben, was die Planung zusätzlich erschwert. Dynamisches Pricing könnte hier Abhilfe schaffen.

Der Gast würde bei diesen Änderungen sogar mitspielen, denn eine Umfrage zeigt, dass die Kunden Preisänderungen in Restaurants relativ gut nachvollziehen können: 77 % der Befragten gaben an, sie hätten Verständnis, wenn ihre Lieblingsrestaurants die Preise erhöhen würden. Dieses Verständnis ist vor allem dann gegeben, wenn die Gründe für die Preisanpassungen – etwa gestiegene Kosten für Lebensmittel und Personal – transparent kommuniziert werden. Studien zeigen, dass Gäste einem Lokal zwar fernbleiben, wenn die Preise steigen. Doch es wurde auch festgestellt, dass es einen Kipppunkt gibt, an dem dieser Rückgang erst besonders stark ausfällt. Dieser liegt bei etwa 10 % bis 13 %.

„Wenn die Preissteigerungen über 10 % bis 13 % hinausgingen, begannen die Gästezahlen drastisch zu sinken – was teilweise oder sogar vollständig die positiven Effekte auf den Nettoumsatz zunichtemachte“, erklärte Scott Foxworth, Direktor für Beratungsdienstleistungen bei RMS, in einer Stellungnahme. Trotzdem sind 10 Prozent ein Spielraum, mit dem sich als Gastronom durchaus arbeiten lässt.

Praxisbeispiele: Dynamische Preisgestaltung in Aktion

Einige Unternehmen setzen das Konzept bereits erfolgreich um. Ein Vorreiter ist das Start-up Juicer das im Oktober 2021 von Ashwin Kamlani, Drew Patterson, Carl Orsbourn und Marco Benevuti gegründet wurde. Juicer bietet eine datenbasierte Komplettlösung zur Preissteuerung speziell für Gastronomiebetriebe.

Kamlani gilt dabei als Experte für digitales Pricing. „Unser Ziel war es Restaurants bei der Implementierung einer mühelosen datengesteuerten dynamischen Preisgestaltung zu unterstützen, um Umsatz und Rentabilität zu steigern.“, erklärt er. Das Unternehmen arbeitet inzwischen mit Gastronomieketten in den USA, Europa und im Nahen Osten zusammen.

Was in der Hotellerie funktioniert, sollte auch in der Gastronomie möglich sein

In der Hotelbranche sind flexible Preise längst Standard – die Anpassung an Nachfrage, Saisonalität oder Ereignisse ist dort völlig selbstverständlich. Kamlani ist überzeugt, dass sich dieses Modell auch für Restaurants eignet.

Dynamic Pricing als Vorteil für die Bio-Gastronomie

Dynamic Pricing bietet auch in der Bio-Gastronomie große Vorteile. Da hochwertige, biologische Zutaten oft teurer sind und strengen saisonalen Schwankungen unterliegen, ermöglicht Dynamic Pricing eine bessere Kostenkontrolle und Wirtschaftlichkeit. Stoßzeiten können gezielt genutzt werden, um höhere Preise durchzusetzen, während in schwächeren Zeitfenstern durch attraktive Angebote die Auslastung verbessert wird. So lassen sich nicht nur Lebensmittelverschwendung und Leerzeiten reduzieren, sondern auch die Margen optimieren – ohne dabei die Nachhaltigkeit oder Qualität zu gefährden.

Dynamic Pricing: Der richtige Preis zur richtigen Zeit

Im Kern geht es Kamlani darum, die Nachfrage durch gezielte Preissteuerung positiv zu beeinflussen. Der Unternehmer streicht heraus, dass Kunden variable Liefergebühren bereits kennen und daher dynamische Preise im Restaurantbereich kein großer Schritt mehr ist. Auch die Daten zeigen,  dass sich mit der richtigen Preisstrategie sowohl Erlöse als auch Gewinnspannen verbessern lassen.

Dieses Konzept eignet sich nicht nur für Lieferservices, sondern auch für Freizeit- und Veranstaltungsbetriebe, wie Kamlani betont: „In den Pausen bei Fußballspielen möchte jeder schnell ein Getränk und ein Hot Dog. Die Zeit ist begrenzt, daher kann der Umsatz eine bestimmte Größe nicht übersteigen. Bieten die Veranstalter beispielsweise während dem Spiel die Speisen und Getränke günstiger an, dann wird die Nachfrage auch während dem Spiel steigen und Gäste werden zu günstigeren Tarifen ohne Schlange Getränke und Fast Food bestellen.“ Fazit: Wenn Speisen und Getränke dann auch in der Halbzeit günstiger angeboten werden, verteilt sich die Nachfrage besser – das entlastet Personal und sorgt für zusätzlichen Umsatz.“

Dynamische Preisgestaltung hat das Potenzial, die Gastronomie grundlegend zu verändern – hin zu effizienteren Abläufen und besseren wirtschaftlichen Ergebnissen.


Titelbild @ Patrick Tomasso via Unsplash (Zugriff 30.05.2025)