
Die seit Langem geplante EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) gerät erneut ins Stocken. Ursprünglich sollte sie bereits Ende 2023 in Kraft treten, wurde jedoch aufgrund politischen Widerstands im Umfeld der Europawahlen auf Ende 2025 verschoben. Nun kündigte die EU-Kommission an, die Einführung um ein weiteres Jahr hinauszuschieben. Als Grund wird ein fehleranfälliges IT-System genannt, das zentrale Datenflüsse zur Rückverfolgung von Waren nicht zuverlässig abbilden könne.
Wälder im Fokus – die Ziele der EUDR
Die Verordnung soll sicherstellen, dass künftig nur Produkte in die EU importiert werden dürfen, die nicht mit der Abholzung von Wäldern in Verbindung stehen. Dazu zählen Holz und Holzprodukte ebenso wie Kaffee, Kakao, Soja oder Palmöl. Die EU ist nach Angaben des WWF nämlich für 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung und Naturzerstörung verantwortlich.
Um den Beitrag Europas zur weltweiten Abholzung zu verringern, hat die EU 2023 die Entwaldungsverordnung (EUDR) beschlossen. Sie sollte ab Ende 2025 verbindlich gelten, für Kleinst- und Kleinbetriebe jedoch erst ab dem 30. Juni 2026. Kern der Verordnung ist die Pflicht für Unternehmen, nachzuweisen, dass zentrale Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Rindfleisch, Kautschuk und Holz nicht mit Entwaldung in Verbindung stehen. Damit soll verhindert werden, dass Produkte, die direkt oder indirekt zur Zerstörung von Wäldern beitragen, in die EU gelangen. Erfasst sind sowohl die Rohstoffe selbst als auch verarbeitete Erzeugnisse. Maßgeblich ist, dass diese nicht auf Flächen gewonnen wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 gerodet oder in ihrer ökologischen Funktion beeinträchtigt wurden. Ziel der Regelung ist es, Abholzung, Klimakrise und Artenverlust wirksam einzudämmen.
EU verschiebt Entwaldungsverordnung erneut
Nun will die Europäische Kommission vorschlagen, den Anwendungsstart der Entwaldungsverordnung um ein weiteres Jahr zu verschieben. Umweltkommissarin Jessika Roswall begründete den Schritt mit Kapazitätsproblemen beim IT-System. Die Verschiebung ist jedoch noch nicht offiziell: Man braucht die Zustimmung des EU-Parlaments.
Ursprünglich sollte die EUDR ja Ende 2024 in Kraft treten. Nach der ersten Verschiebung ist derzeit der 30. Dezember 2025 als Stichtag vorgesehen. Das vorgesehene IT-System, mit dem die Nachvollziehbarkeit des Warenflusses erfasst werden sollte, würde den Anforderungen noch nicht standhalten, heißt es. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des Umweltausschusses im EU-Parlament, Antonio Decaro sowie an den dänischen Umweltminister und Ratsvorsitzenden Magnus Heunicke erklärte Roswall, dass bei einem Start 2025 Verzögerungen oder Störungen des IT-Systems drohten.
Österreichische Holzindustrie jubelt
Besonders die österreichische Holzindustrie reagiert erleichtert auf die neuerliche Verzögerung. Sie sieht in der EUDR eine erhebliche bürokratische Belastung, die Betriebe in der Praxis überfordern könnte. Erlfried Taurer, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie, sprach von einem „notwendigen Signal der Vernunft“. Die Verordnung sei weder praxistauglich noch effizient und müsse grundlegend überarbeitet oder am besten ganz zurückgezogen werden.
„Die EUDR muss tiefgreifend vereinfacht oder besser vollständig aufgehoben werden“, fordert Dr. Erlfried Taurer, Obmann des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs (FHÖ). Er erklärt: „Wir erwarten von den EU-Institutionen einen im Unternehmensalltag spürbaren Bürokratieabbau, damit Europas Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird. Notwendig sind mutige Entscheidungen und entschlossenes Handeln statt kleinteiliger Kosmetik.“
Umweltminister und Wirtschaftsminister für Bürokratieabbau
Unterstützung erhält die Branche von Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, die sich in Brüssel aktiv gegen die rasche Einführung der EUDR eingesetzt haben. Österreich gilt damit als eine der treibenden Kräfte innerhalb einer Gruppe von Mitgliedsstaaten, die auf eine „Entschlackung“ der Verordnung drängen.
„Die EU hat ein Gesetz für ein globales Problem geschaffen, das wir in Europa gar nicht haben – und baut dafür einen massiven Bürokratieapparat auf. Das ist eine echte Belastung für unsere Forstwirtinnen und Forstwirte, die Lebensmittel- und Holzwirtschaft sowie viele Gewerbebetriebe. Wir brauchen vernünftige Regeln für Länder mit strengen Waldgesetzen und ohne Entwaldungsrisiko wie Österreich. In einer geopolitisch enorm herausfordernden Zeit, sind selbst auferlegte Handelsbarrieren zutiefst unvernünftig“, so der Umweltminister.
Bei all der Kritik ist es jedoch wichtig zu wissen, dass in Österreich Rodungen zu Zwecken der Agrarstrukturverbesserung nach dem Forstgesetz 1975 als „unbedeutende Tätigkeiten“ gelten und im Sinne der EUDR keine Entwaldung im Sinne der Verordnung darstellen. Daher haben diese Rodungen auch keine direkten rechtlichen Auswirkungen durch die EUDR!
Scharfe Kritik von Umweltseite
Für Umweltverbände und die Grünen im EU-Parlament ist die Entscheidung der EU ein fatales Signal. Thomas Waitz, österreichischer EU-Abgeordneter und Landwirtschaftssprecher der Grünen, sprach von „politischer Verantwortungslosigkeit“. Das Herauszögern gefährde nicht nur den Schutz der Wälder, sondern schwäche auch die Glaubwürdigkeit der EU im Kampf gegen den Klimawandel. Ohne eine starke Entwaldungsverordnung und ein wirksames Lieferkettengesetz sei auch das umstrittene Mercosur-Abkommen nicht mehr als ein „Raubbauvertrag“, so Waitz.
Georg Gratzer vom Institut für Waldökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien sieht in der Verordnung jedenfalls einen „notwendigen Schritt“. Eine Verschiebung würde er bedauern: Laut FAO-Schätzung werden pro Jahr zehn Mio. Hektar Wald global entwaldet und in andere Landnutzungen überführt – eine Umsetzung der EUDR würde hier zumindest einen Teil abfangen. Aus ökologischer Sicht sei eine Verschiebung nicht vertretbar. Auch der entwicklungspolitische Verein „Südwind“, kritisiert den Aufschub als inakzeptabel und als „Einknick der EU-Kommission vor der Forst-Lobby“.
Machtprobe zwischen Ökologie und Ökonomie
Während die Kommission versucht, die Verschiebung mit technischen Notwendigkeiten zu begründen, wird zunehmend deutlich, dass es auch um grundlegende Interessenkonflikte geht. Auf der einen Seite stehen Industrie- und Handelsvertreter, die hohe Kosten und administrativen Aufwand befürchten, auf der anderen Seite Klimaschützer:innen, die in der EUDR ein zentrales Instrument sehen, um internationale Lieferketten fairer und nachhaltiger zu gestalten.
Österreichs Umweltminister Totschnig zeigt sich währenddessen zufrieden mit dem gewonnenen Aufschub. Diese Atempause eröffnet die Chance, eine praxisgerechtere Lösung zu finden, erklärte er. Für Umweltschützer dagegen ist jeder weitere Verzug ein Rückschritt im weltweiten Kampf gegen die Zerstörung von Ökosystemen.
Ob die Verschiebung tatsächlich nur eine technische Zwischenlösung ist oder das Signal für eine politisch motivierte Abschwächung der Verordnung, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Interessen und ökologischer Verantwortung.
Titelbild © Haberdoedas II via Unsplash (Zugriff 26.09.2025)
