Bio Kommunikation

Das 21 Marktgespräch zum Thema Bio, konnte mit so einigen wichtigen Erkenntnissen aufwarten. Welche Schlüsse gezogen wurden, erfährst du in diesem Artikel.

Bio als Stiefmütterchen

Die Nahrungsmittelmesse Anuga verzeichnete einen Rekord. Mehr als 145.000 Menschen aus 190 Nationen waren gekommen. Ernüchternde Zahlen inmitten dieser Rekorde: Von 8.000 Ausstellern auf der Anuga waren lediglich 300 mit einem Bio-Segment vertreten. Der Bio-Anteil war also recht überschaubar, wenn man es diplomatisch ausdrücken will.

Weiteres war den Vorträgen zu globalen Trends zu entnehmen, dass viele Konsumentinnen und Konsumenten weltweit beim Lebensmittelkauf sowieso andere Prioritäten setzen als die ökologisch-nachhaltige Erzeugung. Mehrwert bieten für diese aber Geschmack, Genuss, Gesundheit und Longevity (Langlebigkeit). Gleichzeitig sind die Käufer:innen extrem „preisbewusst“. Bedeutet: niedrigster Preis zuerst.

Bio anders denken?

Für einkommensschwache Käufer und Käuferinnen ist die Teilhabe an ethischem Konsum somit nur schwer möglich, wird einem vermittelt. Obwohl sich eine Studie zufolge Bio wirklich jeder und jede leisten kann. Die Frage lautet aber dennoch, wie der Biohandel die Menschen bzw. die Mehrheit besser erreichen kann.

Genau darüber diskutierte man beim 21. Marktgespräch. Die Experten und Expertinnen kamen dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen, die vielleicht Anreize schaffen können, die Vermarktung von Bio neu bzw. anders zu denken.

Die Verbraucher:innen und das liebe Geld

„Die Verbraucher schauen aufs Geld, das muss man akzeptieren“, bestätigte Dr. Otto Schulz von der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis. Diese große Relevanz, die Geld besitzt, führt dabei auch zu einem, zum Teil recht widersprüchlichen Verhalten der Konsumenten und Konsumentinnen selbst. Denn die Aussagen bei Befragungen decken sich oft nicht mit dem Kaufverhalten, berichtete Dr. Guido Rheinhardt vom Ifeu.

Bedeutet: auch wenn alle Umfragen zeigen, dass die Bereitschaft zu mehr Nachhaltigkeit wächst, gibt es leider einen eklatanten Widerspruch zwischen der (theoretischen) Bereitschaft etwas zu tun und der Praxis einer konkreten Handlung (es auch wirklich zu tun).

CO2-Problematik besser kommunizieren

Ein wichtiger Punkt in Hinblick auf einen ökologischen Wandel wäre auch die richtige Kommunikation. Ernährung, Heizen und Verkehr sind einfach die drei großen Faktoren für die CO2-Erzeugung. „Infos darüber müssen breiter gestreut werden, damit die Leute wirklich begreifen, wo sie stehen.“, erklärt Schulz. Wie hoch der Beitrag unserer Ernährungsweise an der Zerstörung des Planeten ist, scheint vielen Menschen nicht bewusst zu sein.

Gen Z als Hoffnungsträger

Hoffnungsträger in der Debatte um Nachhaltigkeit sind jedoch junge Menschen aus der Gruppe der Gen Z und der Millenials. Diese Gruppe ist wirklich bereit dazu, für ethischen Konsum mehr Geld auszugeben.

Das Problem dabei: Es ist genau diese Gruppe, die nicht wirklich finanzstark ist. Es sei daher zu hoffen, dass sie „durchhalten“, so das Fazit. Durchhalten, wie lange? Sie zum Durchhalten zu bewegen gelingt, dem Podiumsgespräch zufolge, jedoch mit einem Twist im Narrativ. „Feiern statt Verzicht“, sollte daher die Devise lauten.

Das Narrativ des Feierns

Das bedeutet, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz nicht als Einschränkung, sondern als positive Lebensentscheidung vermittelt werden sollten. Wenn man den Menschen ständig sagt: „Ihr müsst weniger Fleisch essen, weniger reisen, weniger heizen, weniger konsumieren“, entsteht das Gefühl, man müsse auf Lebensqualität verzichten. Nachhaltigkeit wird dann mit Einschränkung, Verlust oder Schuldgefühlen verbunden – und das demotiviert.

Das „Narrativ des Feierns“ dreht die Perspektive jedoch um. Statt zu sagen: „Du darfst kein Fleisch mehr essen“, sagt man zum Beispiel: „Schau, wie köstlich nachhaltiges Bio-Fleisch oder pflanzliche Alternativen schmecken!“ Es geht darum, bewussten Konsum als etwas Positives und Bereicherndes zu erzählen. Als Lebensstil, der Genuss, Gesundheit, Gemeinschaft und Verantwortung verbindet. Man feiert also das Gute, das entsteht, wenn man nachhaltiger lebt, anstatt zu trauern über das, was man weglässt.

Menschen verändern ihr Verhalten eher, wenn sie sich mit einer Bewegung identifizieren können. Wenn Nachhaltigkeit Spaß macht, sozial anerkannt ist und mit Freude, Genuss und Stolz verbunden wird, halten Menschen „länger durch“, so die Message. Besonders jüngere Generationen.

Den Preis anders denken

Bio-Lebensmittel haben schon seit langem den Sprung aus dem Fachhandel in den Discounter geschafft. Dürfen dort aber nicht im Luxussegment stecken bleiben. Sie müssen im Alltag ankommen, ergänzte Schulz. In diesem Alltag steht Bio jedoch permanent unter Preisdruck.

„Das klassische Bio aus dem Fachhandel ist in den Discountern gelandet und steht unter Preisdruck. In Deutschland gibt es das billigste Essen in den teuersten Küchen.“

Das hat viel damit zu tun, wie wir als Gesellschaft denken, bricht es Matthias Beuger vom AöL herunter:

„Der Preis als Top-Verkaufsargument tut uns als Gesellschaft nicht gut – wir müssen davon wegkommen.“

Und das ist die Herausforderung. Wie schon beim neuen „Narrativ des Feierns“ wird es auch bei der Produktplatzierung wichtig sein, diese neu zu denken und nicht vom billigen Preis her zu argumentieren (nicht Geiz ist geil!), sondern vielmehr von der Qualität her (Qualität ist geil!)

LEH mit großer Verantwortung

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) spiele dabei eine große Rolle, sind sich alle einig. Dieser trage auch eine große Verantwortung dafür, dass Menschen sich möglichst gesund ernähren. Wobei wir beim Thema Sichtbarkeit wären. Wie der LEH die Produkte nun platziert, was er an ihnen sichtbar macht ist entscheidend dafür, wie die Leute ein Lebensmittle sehen.

Kommuniziere ich ein Produkt aus der Perspektive des günstigen Preises oder doch eher aus der Perspektive der Qualität. Allein das macht einen riesigen Unterschied, wie die Leute über Lebensmittel denken!  Handelsexpertin Dr. Eva Stüber wertet den LEH als wichtige Grundvoraussetzung für den Zugang zu Bio. „Sichtbarkeit schafft Zugang. Im LEH sind die Leute unterwegs.“

Neue Themen und Schwerpunkte setzen

Bei all diesen innovativen Ideen gilt es jedoch, die Position der Kundinnen und Kunden einzunehmen. „Die Menschen sind so verunsichert und überfordert wie nie“, sagte Stüber. Nachhaltigkeit sei als Kaufanreiz lange schon abgeschlagen. „Was funktioniert, ist das Thema Gesundheit, Longevity und Geschmack“, berichtete Stüber und empfiehlt, das Thema Genuss in den Vordergrund zu stellen.

Politik: ein Sorgenkind

Die wissenschaftlichen Grundlagen zum Zusammenhang zwischen Ernährung und Klimaschutz, Umwelt, Kostenwahrheit und so weiter seien längst eindeutig belegt, sind sich alle Expertinnen und Experten einig. Das eigentliche Problem liege vor allem in der politischen Umsetzung.

Im Vergleich zur Wissenschaft wird in der Politik leider „viel emotionaler und zum Teil mit falschen Fakten gearbeitet wird.“ Zudem werde sie von Lobbygruppen getriggert. Entscheidungen, die nur die eigene Amtszeit im Blick haben und Problemlösungen oft verschieben, weil sie für potenzielle Wählerinnen und Wähler unbequem sind, sind noch weitere Problemstellen. Ein großer Hebel sind laut Guido Rheinhardt vor allem die Außer-Haus-Verpflegung (AHV). Bio ist dort zwingend zur Bedingung zu machen.

Fazit

Das 21. Marktgespräch war in diesem Sinne sehr erkenntnisreich. Im Bereich Preis wird man ein Billigprodukt niemals schlagen können. Doch wenn man die Perspektive umdreht und andere Bereiche in den Vordergrund stellt (Gesundheit, Genuss, Umwelt) schafft man den Umschwung von Billigware zu Qualitätskäufen, sind sich alle Expertinnen und Experten sicher. Ein wichtiger Input im Kampf um eine gesunde Zukunft, der nur über Bio-Regionalität zu bestreiten sein wird.


Titelbild © Vitaly Gariev via unsplash (Zugriff 29.10.2025)