
Die EU-Entwaldungsverordnung, kurz EUDR, ist eine Schlüsselmaßnahme der EU zur Eindämmung der globalen Entwaldung und zur Förderung nachhaltiger Lieferketten. Sie verlangt von Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe und daraus hergestellte Produkte auf dem europäischen Markt anbieten oder exportieren, den Nachweis, dass ihre Lieferketten keine negativen Auswirkungen auf Wälder haben. Diese Verordnung stellt nicht nur einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen den Klimawandel dar, sondern spiegelt auch die wachsende Verantwortung der EU für den globalen Naturschutz wider. Doch was bedeutet die Verordnung für die Landwirtschaft genau?
Entwaldung: ein großes globales Problem
Entwaldung stellt ein massives globales Problem dar: Seit 1990 sind weltweit nämlich rund 420 Millionen Hektar Wald verloren gegangen. Das entspricht in etwa zehn Prozent der gesamten weltweiten Waldfläche. Doch damit nicht genug. Noch immer verschwinden jedes Jahr etwa zehn Millionen Hektar Wald. Mit gravierenden Folgen für Klima, Artenvielfalt und die Lebensgrundlagen vieler Menschen und Tiere. 90 Prozent dieser Entwaldung wird dabei durch nicht-nachhaltige Landwirtschaft verursacht.
Wenn Wälder (wie z.B. der Urwald) immer mehr verschwinden, geht nicht nur ein zentraler Kohlenstoffspeicher unseres Planeten verloren. Das so frei werdende CO₂ treibt auch zusätzlich den Klimawandel an. Durch Abholzung werden rund 15 Prozent der menschengemachten Treibhausgase freigesetzt – mehr als durch den gesamten Verkehrssektor.
Gleichzeitig wird durch die Abholzung die Biodiversität massiv beeinträchtigt, da unzählige Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum verlieren. Auch die Böden leiden: Ohne schützende Vegetation nehmen Erosion und Nährstoffverluste zu, und ganze Wasserkreisläufe geraten aus dem Gleichgewicht, was sowohl Dürren als auch Überschwemmungen begünstigen kann. Für indigene Völker bedeutet Abholzung oft den Verlust ihrer Lebensgrundlage und kulturellen Identität. Auch wirtschaftlich ist Entwaldung langfristig problematisch: Kurzfristige Profite durch Soja-, Palmöl- oder Fleischproduktion stehen hohen Folgekosten durch Klimaschäden, Naturkatastrophen und den Verlust fruchtbarer Böden gegenüber.
EU: Mitverantwortung durch Importe
Auch die Europäische Union trägt eine große Mitverantwortung an dieser Abholzung. Ihre Importe sind nämlich, Schätzungen zufolge, für rund 16 Prozent der durch Landnutzungsänderungen verursachten Entwaldung weltweit verantwortlich. Die Europäische Union liegt damit hinter China (24 Prozent) und vor Indien (9 Prozent) und den USA (7 Prozent) weltweit auf Platz zwei dieser nicht wirklich schmeichelhaften „Weltrangliste“. Wichtigste Treiber sind Importe von Soja (ca. 31 Prozent der gerodeten Fläche), Palmöl (24 Prozent), Rindfleisch, Holzprodukte, Kakao und Kaffee, deren Anbau oder Produktion vor allem Wälder in Südamerika und Südostasien verdrängt hat. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat die EU die neue Entwaldungsverordnung (kurz: EUDR) auf den Weg gebracht, die für entwaldungsfreie Lieferketten sorgen soll.
Was ist die EUDR und wie funktioniert sie?
Um den Einfluss der EU auf die weltweite Entwaldung zu verringern, verabschiedete die Europäische Union 2023 die sogenannte Entwaldungsverordnung (EUDR), die ab Ende 2025 gilt – für Kleinst- und Kleinunternehmen jedoch erst ab 30. Juni 2026. Diese verpflichtet Unternehmen, die Entwaldungsfreiheit für relevante Rohstoffe wie Palmöl, Soja, Kaffee, Kakao, Rindfleisch, Kautschuk und Holz nachzuweisen. Ziel ist es so, den Import von Produkten, die direkt oder indirekt zur Entwaldung beitragen, zu verhindern und damit die Klimakrise, Abholzung sowie den Artenverlust zu bekämpfen. Diese Produkte – einschließlich daraus hergestellter Erzeugnisse – dürfen dabei nicht auf Flächen erzeugt werden, die nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzt oder degradiert wurden bzw. eben dazu beigetragen haben.
Um eine nahtlose Transparenz zu gewährleisten müssen Unternehmen eine umfassende Due-Diligence-Prüfung durchführen. Bedeutet: Unternehmen benötigen ein strukturiertes Due Diligence-System, das Produkte bis zum Ursprung zurückverfolgt, Risiken bewertet bzw. mindert und eine klare Prüfspur erstellt.
Dabei werden Ursprung und Lieferkette der Rohstoffe vollständig dokumentiert – inklusive GPS-Daten der Anbauflächen, Produktions- und Lieferinformationen. Anschließend erfolgt eine selbstständige Risikobewertung des Betriebs, ob die Produkte mit Entwaldung in Verbindung stehen. Nur wenn das Risiko als gering eingestuft wird, dürfen die importierten Produkte ohne zusätzliche Maßnahmen gehandelt werden. Besteht ein höheres Risiko, sind Risikominderungsmaßnahmen wie strengere Kontrollen oder der Wechsel zu nachhaltigeren Lieferanten erforderlich. Das Ergebnis wird in eben jener Due-Diligence-Erklärung festgehalten, die bestätigt, dass die Produkte entwaldungsfrei und legal sind. Unternehmen müssen diese Nachweise mindestens fünf Jahre lang aufbewahren und bei Kontrollen vorlegen. Verstöße können mit hohen Geldstrafen von bis zu 4 % des EU-Umsatzes geahndet werden.
Auswirkungen der EUDR auf die Landwirtschaft
Die EU-Entwaldungsverordnung betrifft nicht nur tropische Länder, sondern wirkt sich direkt auch auf die europäische und damit auch die österreichische Landwirtschaft aus. Besonders betroffen ist die Fleischwirtschaft, da Rindfleisch und Milchprodukte oft mit Futtermitteln wie Soja in Verbindung stehen, deren Anbau in Südamerika einer der Haupttreiber für Entwaldung ist.
Künftig müssen Landwirt:innen und Betriebe in Österreich daher nachweisen, dass ihre Produktion frei von illegaler Abholzung und schädlichen Landnutzungsänderungen ist. Das betrifft sowohl die eigene Futtererzeugung als auch den Import von Soja oder anderen Eiweißfuttermitteln. Damit steigt der Druck, auf heimische und nachhaltige Futtermittel wie österreichischen Soja, Ackerbohnen oder Erbsen umzusteigen.
Wichtiger Punkt: In Österreich gelten Rodungen zu Zwecken der Agrarstrukturverbesserung nach dem Forstgesetz 1975 als „unbedeutende Tätigkeiten“ im Sinne der EUDR und stellen keine Entwaldung im Sinne der Verordnung dar. Daher haben diese Rodungen keine direkten rechtlichen Auswirkungen durch die EUDR.
Dennoch müssen österreichische Unternehmen nachweisen, dass Futtermittel für Rinder, insbesondere Soja, nicht aus entwaldeten Flächen stammen, auch wenn die Tiere selbst diese Flächen nicht betreten haben.
Für die Landwirtschaft bedeutet das EUDR mehr Transparenz, aber auch mehr Dokumentationspflichten. Betriebe müssen ihre Flächen, Lieferketten und Futtermittelherkünfte offenlegen und im Zweifel belegen können, dass keine Entwaldungsrisiken bestehen. Dies gilt auch für die Fleischverarbeitung und den Export, da Produkte ohne entsprechende Nachweise nicht mehr in den EU-Binnenmarkt gelangen dürfen.
Die EUDR als bürokratische Herausforderung
Trotz der gut gemeinten und umwelttechnisch auch lobenswerten Motivation, erzeugt die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) bei vielen Unternehmen jedoch große Unsicherheiten. Insbesondere, weil Umsetzungsdetails bislang fehlen. So warnte eine Koalition europäischer Produzentenvertreter bereits 2024:
„Die aktuelle Situation zeigt eindeutig: Die Umsetzung der EUDR bis Ende 2024 ist schlicht unrealistisch – viele kleine Unternehmen würden vom Markt verdrängt – mit unzähligen Arbeitsplatzverlusten im ländlichen Raum“
Ebenso betonen Kritiker, dass hinter den ökologisch gut gemeinten Zielen ein verwirrender Dschungel an Vorschriften steckt, was die Verordnung für viele zu einem „bürokratischen Monster“ macht.
Die Land&Forst Betriebe Österreich sehen sich damit in ihrer Kritik bestätigt und fordern eine grundlegende Überarbeitung. Im Juni 2025 bezeichnete der Präsident der Land&Forst Betriebe Konrad Mylius die Verordnung als „realitätsfern und in der Praxis nicht umsetzbar“. Besonders die Einstufung von Ländern wie Brasilien trotz massiver Waldverluste nur als „Standardrisiko“ habe Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Verordnung geweckt. Wenn alle Betriebe unabhängig vom tatsächlichen Risiko denselben bürokratischen Aufwand leisten müssen, verliere die EUDR sowohl Wirksamkeit als auch Akzeptanz, so heißt es. Gefordert wird daher eine zusätzliche Kategorie für Länder mit nachweislich stabilem Waldflächenbestand, um nachhaltige Betriebe nicht unnötig zu belasten.
Problem für den Handel am Beispiel Elfenbeinküste
Die EU-Entwaldungsverordnung stellt zum Beispiel für die Elfenbeinküste, den weltweit größten Kakaoproduzenten, eine enorme Herausforderung dar. Vor allem kleine Exporteure und Kooperativen fürchten um ihre Existenz, da die neuen Anforderungen an Rückverfolgbarkeit und Dokumentation hohe Kosten verursachen, die kleine Unternehmer:innen im Gegensatz zu multinationalen Konzernen kaum tragen können. Während Großunternehmen Millionen in digitale Systeme investieren, fehlt es den lokalen Betrieben an den nötigen finanziellen und personellen Ressourcen.
Zwar soll ein neues digitales ID-System die lückenlose Rückverfolgbarkeit garantieren, doch verändert es auch traditionelle Strukturen wie Barzahlungen an Bauern – ein Umbruch, der viele Akteure zusätzlich belastet. Branchenvertreter warnen, dass ohne staatliche Unterstützung zahlreiche Kooperativen in wenigen Jahren vom Markt verschwinden könnten. Kritisiert wird zudem, dass die Verordnung vor allem die europäische Industrie schützt, während Produzentenländer wie die Elfenbeinküste unverhältnismäßig stark getroffen werden.
Was auf den ersten Blick Umweltverantwortung bedeutet, entpuppt sich für Unternehmen oft als bürokratische Herausforderung ohne klare Leitplanken. Oder, wie ein Mitglied des Europäischen Parlaments, Ondřej Knotek es formulierte: Die EU ist zu einem regelungsorientierten Monster geworden – hohe Zahl, aber niedrige Qualität der Gesetze.
Die EUDR fordert Transparenz und Nachhaltigkeit – führt in der Umsetzung aber zu überbordender Regulierung, kostenintensiven Anforderungen und existenziellen Ängsten bei kleinen und mittleren Betrieben. Klar wird: Mehr Klarheit, pragmatische Umsetzungshilfen und Unterstützungspakete sind jetzt unerlässlich, damit der gute Wille nicht auf der Bürokratiefalle scheitert.
EUDR als Chance für mehr Bio
Trotz bürokratischem Mehraufwand, kann die Entwaldungsverordnung der EU für die Bio-Landwirtschaft jedoch als große Chance interpretiert werden. Da die biologische Landwirtschaft grundsätzlich auf ressourcenschonende Praktiken, teils regionale Futtermittel und Pflanzenkulturen setzt (Weidepflicht), ist sie oft weniger von entwaldungsbedingten Praktiken betroffen. Eine nachhaltige Zulieferungskette kann somit leichter nachgewiesen werden. Der Verordnung entsprechend kann ökologische Landwirtschaft gestärkt und die Reputation von Bio-Fleisch und -Milch weiter ausgebaut werden.
Die EU-Entwaldungsverordnung ist ein bedeutender Schritt, um die Auswirkungen europäischer Konsumgewohnheiten auf globale Waldökosysteme einzuschränken. Mit ihrer Sorgfaltspflichtstruktur zwingt sie Unternehmen weltweit, Transparenz in ihre Lieferketten zu bringen und nachhaltigere Praktiken zu etablieren. Für die Fleischwirtschaft bedeutet das eine Neubewertung der Futter- und Produktionswege, während die Bio-Landwirtschaft ihre Position als umweltfreundliche Alternative weiter ausbauen kann.
Titelbild © Markus Spiske via Unsplash (Zugriff 05.09.2025)