Kuhangriff Alm

Ein schwerer Zwischenfall auf einem Wanderweg in Kärnten sorgte für große mediale und rechtliche Aufmerksamkeit: Eine Wanderin wurde im Oktober 2023 von einer Mutterkuh verletzt – der Tierhalter wurde auf Schadenersatz geklagt. Nun hat der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz entschieden: Der Landwirt trifft keine Schuld. Das Urteil hat weitreichende Bedeutung – nicht nur für die Almwirtschaft, sondern auch für die biologische Landwirtschaft, in der Weidehaltung und Almauftrieb zentrale Elemente einer artgerechten Tierhaltung darstellen.

Kuhangriff: tragischer Vorfall mit rechtlicher Tragweite

Im Oktober 2023 kam es auf einem Wanderweg im Bereich der Turracher Höhe in Kärnten zu einem schweren Zwischenfall: Eine Wanderin wurde von einer Kuh attackiert und dabei schwer verletzt. Die Frau war gemeinsam mit ihrem Ehemann auf einem markierten Weg unterwegs, als sie einer Herde von sieben Mutterkühen mit ihren Kälbern begegneten. Eine der Kühe griff das Paar an – mit folgenschweren Konsequenzen.

Der Vorfall führte zu einer Schadenersatzklage in Höhe von 35.000 Euro gegen den Tierhalter, einen ortsansässigen Landwirt. Der zentrale Vorwurf: Der Bauer habe seine Verwahrungspflicht verletzt, da er es unterlassen habe, die Tiere durch Zäune von Wanderern zu trennen.

Der Kuhangriff: Drei Instanzen, ein Urteil

Nach einem ersten Urteil des Landesgerichts Klagenfurt und der Bestätigung durch das Oberlandesgericht Graz wurde der Fall in letzter Instanz vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) verhandelt. Auch dieser entschied nun klar zugunsten des Landwirts. Der OGH stellte fest, dass dem Tierhalter keine Verletzung seiner Pflichten nachgewiesen werden könne. Der Landwirt habe alle zumutbaren Maßnahmen gesetzt, insbesondere durch das Aufstellen von Warntafeln entlang des Wanderwegs.

Warnschilder statt Zäune: Zumutbarkeit als Maßstab

Besonders bemerkenswert: Das Urteil des OGH wurde ausführlich begründet, was bei Zurückweisungen einer Revision in Zivilverfahren eher ungewöhnlich ist. Auf zwei Seiten legten die Höchstrichter dar, dass das bloße Aufstellen von Warnhinweisen – etwa mit der Aufschrift „Achtung Weidevieh!“ – im konkreten Fall als ausreichende Maßnahme angesehen werde. Eine Verpflichtung, den Weg durch ein Weidegebiet zu umzäunen, bestand nicht – das sei weder üblich noch zumutbar.

Ein Zaun sei laut OGH nicht zwingend erforderlich, es sei denn, die Tiere hätten in der Vergangenheit durch auffällig aggressives Verhalten Anlass zur Besorgnis gegeben oder es befänden sich besonders gefährdete Infrastrukturbereiche wie öffentliche Straßen oder Liftstationen in unmittelbarer Nähe. Entscheidend sei stets eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände.

Unterstützung aus der Landwirtschaft

Das Urteil wurde von Landwirtschaftsvertretern mit Erleichterung aufgenommen. LK-Präsident Siegfried Huber zeigte sich in etwa sehr zufrieden:
„Es ist wichtig und richtig, dass das Höchstgericht so entschieden hat. Ich bin auch froh, dass der OGH ausdrücklich klargestellt hat, was man einem Tierhalter an Maßnahmen zumuten kann. So bedauerlich der Vorfall für die Betroffenen auch ist: Die Alm ist kein Streichelzoo und von erwachsenen Menschen muss man auch eine gewisse Eigenverantwortung verlangen.“

Der Fall hat damit nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche Bedeutung. Er zeigt die Spannungsfelder zwischen Tourismus, Landwirtschaft und Sicherheitsverantwortung in alpinen Regionen deutlich auf.

Kuhangriff: Ein wichtiges Signal für die Almwirtschaft

Der Freispruch für den Landwirt ist ein wegweisendes Urteil mit Signalwirkung: Es bestätigt, dass Tierhalter:innen nicht für jedes unvorhersehbare Verhalten ihrer Tiere haften, sofern sie ihre Sorgfaltspflichten erfüllt haben. Gleichzeitig betont das Höchstgericht die Bedeutung der Eigenverantwortung von Wanderern beim Betreten bewirtschafteter Almen.

Der Vorfall erinnert daran, dass die Natur kein kontrollierter Erlebnisraum ist, sondern lebendig, dynamisch und mit Risiken verbunden. Information und gegenseitiger Respekt zwischen Tourismus und Landwirtschaft sind dabei entscheidende Faktoren für ein gutes Miteinander. Für die Landwirte gilt es auf die Gefahren hinzuweisen – Warntafeln mit der Aufschrift „Achtung Weidevieh!“ sind schon zum Selbstkostenpreis von 5 Euro erhältlich. Diese dienen nicht nur der rechtlichen Absicherung, sondern auch der Sensibilisierung der Wanderbevölkerung – ein einfacher Schritt mit großer Wirkung.

Verhaltensregeln: was man auf der Alm beachten muss

Andererseits müssen aber vor allem auch die vielen Almbesuchenden wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Der Einfachheit halber haben wir die Verhaltensregeln auf der Alm hier zusammengefasst:

  • Auf der Alm keinen Müll hinterlassen.
  • Almtiere respektieren und ausreichend Abstand halten, kein Kontakt oder Streicheln.
  • Almtiere sind keine Streicheltiere; bei Unruhe das Gebiet ruhig und zügig verlassen.
  • Nur auf markierten Wegen wandern, Rad fahren und Sport treiben.
  • Morgens und in der Dämmerung Almgebiete meiden.
  • Mountainbiken rücksichtsvoll gegenüber Tieren, Natur und Menschen.
  • Hunde an der Leine führen und kontrollieren.
  • Weidegatter nach dem Durchqueren schließen.
  • Gesperrte Wege und Schutzgebiete nicht betreten, Hinweisschilder beachten.
  • Lagerfeuer und Zelten sind verboten.
  • Kühe sind sensible Fluchttiere; beim Aufstehen Kopf nach vorne neigen – Abstand halten und Tieren nicht von vorne nähern.

Almbewirtschaftung als Pfeiler der biologischen Landwirtschaft

Die traditionelle Weidehaltung auf Almen ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil alpiner Kulturlandschaftspflege, sondern spielt auch eine zentrale Rolle in der biologischen Landwirtschaft. Denn viele Biobetriebe nutzen die Sommermonate gezielt für den Almauftrieb, um ihren Tieren eine besonders naturnahe und artgerechte Haltungsform zu bieten.

Auf den Almen finden die Tiere eine große Vielfalt an frischen Gräsern und Kräutern, die nicht nur den Geschmack und die Qualität der Milch und Fleischprodukte beeinflussen, sondern auch die Gesundheit der Tiere stärken. Durch die extensive Nutzung – also ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Düngemitteln oder Pestiziden – bleibt die Pflanzenvielfalt erhalten, was wiederum Insekten, Bodenorganismen und Wildtieren zugutekommt.

Zudem entsprechen die Bedingungen auf der Alm vielen Grundprinzipien des biologischen Landbaus: Freie Bewegung, Futteraufnahme direkt auf der Weide, stressarme Haltung und ein möglichst geschlossener Betriebskreislauf. Almbewirtschaftung (LINK) ist somit nicht nur landschaftsprägend, sondern auch ein gelebtes Beispiel für nachhaltige und ökologische Landwirtschaft – mit positiven Auswirkungen auf Umwelt, Tierwohl und Produktqualität.


Titelbild @ Claudio Schwarz via Unsplash (Zugriff 06.06.2025)