
In der fünften Episode unseres Podcasts sprechen wir mit Elisabeth Krainz-Blum, der Obfrau des Forum Biofachhandel und Leiterin des traditionsreichen Linzer Bioladens „Mein Müli“. Mit Leidenschaft, Weitblick und viel persönlichem Engagement steht sie seit vielen Jahren für eine Branche, die Bio nicht nur als Produkt, sondern als ganzheitliches Konzept versteht.
Von der Soziologin zur Bio-Pionierin
Der Weg von Elisabeth Krainz-Blum in den Biofachhandel war alles andere als geradlinig. Nach ihrem Studium der Soziologie arbeitete sie zunächst bei einer Regionalzeitung. Doch Mitte zwanzig stellte sich für sie plötzlich die große Sinnfrage: Was will ich eigentlich mit meinem Leben machen?
Durch Zufall stieß sie auf eine Stellenausschreibung des Bioverbandes Erde & Saat. Mit einer unkonventionellen Bewerbung wagte sie dann den Schritt – und erhielt wider Erwarten den Job. Für die gebürtige Stadtbewohnerin bedeutete die enge Zusammenarbeit mit Biobäuerinnen eine regelrechte Bewusstseinserweiterung, wie sie so schön sagt. Bio wurde ab dann zum Wendepunkt in ihrem Leben. Privat wie beruflich.
„Mein Müli“: Vom Konkurs zum Neustart
Der Bioladen Mein Müli von Elisabeth Krainz-Blum ist nicht irgendein Bioladen. Es ist der älteste Bioladen in Linz, gegründet 1980 und das ursprünglich als bäuerliche Genossenschaft. 2009 geriet das Geschäft zwar in Konkurs, doch für Krainz-Blum war klar: Das darf nicht das Ende sein. Sie kaufte den Laden aus der Konkursmasse heraus und führt ihn seitdem erfolgreich weiter.
Heute, 16 Jahre später, ist Mein Müli weit mehr als ein beliebiges Geschäft: Es ist Treffpunkt, Beratungsstelle und Ort gelebter Bio-Philosophie. Kundinnen und Kunden kennt man beim Namen, der persönliche Kontakt steht im Fokus, und wer Fragen hat – etwa zur Zubereitung von Biofleisch – bekommt kompetente Antworten. Aber auch wertvolle Tipps, wie sich auch noch nicht durchgesetzte Bio-Produkte zubereiten lassen.
Warum der Fachhandel wichtig bleibt
Eines der spannendsten Fragen ist natürlich jene danach, was den Biofachhandel noch relevant bleiben lässt, wo doch mittlerweile sogar schon Discounter Bio-Produkte anbieten. Natürlich ist es gut, dass Bio-Lebensmittel mittlerweile auch in Supermärkten und Discountern verfügbar sind, erklärt Krainz-Blum, das ist sogar zu begrüßen. Doch bietet der Fachhandel weitere entscheidende Vorzüge:
- Regionalität: Produkte stammen aus der Nähe und sind bis zum Ursprungsbetrieb rückverfolgbar.
- Ganzheitlichkeit: Bio ist nicht nur ein Label, sondern ein Versprechen für faire, ethische und nachhaltige Produktion.
- Beratung & Nähe: Kundinnen und Kunden erhalten im Mein Müli individuelle Betreuung und Vertrauen – ein Wert, der oft wichtiger ist als der Preis.
„Bio ist nicht gleich Bio“, betont Krainz-Blum. Es gehe immer auch um das Gesamtpaket und die Frage: Ist dieses Produkt wirklich nachhaltig? Der Zukunft liegt dabei nicht nur in biologischer Qualität, sondern sollte bio-regional sein, weiß auch die Geschäftsführern des ältesten Bioladens in Linz.
Herausforderungen: Inflation und Preiskampf
Der Biofachhandel steht aktuell jedoch vor großen Herausforderungen. Vor allem die Inflation hat dazu geführt, dass viele Menschen beim Lebensmitteleinkauf sparen – und oft gerade bei Bio-Produkten. Hinzu kommt die Konkurrenz durch Discounter, die Bio-Artikel mit massiven Rabatten anbieten können.
Krainz-Blum kritisiert diese Entwicklung: Wenn Bio immer nur im Preiskampf landet, geht der ursprüngliche Sinn davon nämlich verloren. Statt Übermengen zu Dumpingpreisen brauche es ein neues Bewusstsein für die Wertigkeit von Lebensmitteln an sich.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Im Müli wird beim Fleischverkauf zum Beispiel auf Nose-to-Tail gesetzt bzw. diese Philosophie beim Verkauf auch mitkommuniziert. Anstatt nur die beliebten Filetstücke zu verkaufen, wird dabei das ganze Tier verwertet – bis hin zur Karkasse. Ein Ansatz, der nicht nur nachhaltig ist, sondern den Kundinnen und Kunden auch die Ganzheitlichkeit von Lebensmitteln näherbringt. In diesem Sinne ist der Biofachladen Mein Müli eine wichtige Institution, die abseits eines anonymisierten Supermarkts wahrlich Aufklärungsarbeit in Sachen Bio leistet.
Konsumtrends und Zielgruppen
Auch der Fleischkonsum ist ein Thema. Denn dieser geht in vielen gesellschaftlichen Gruppen zurück. Krainz-Blum beobachtet dabei jedoch, dass vor allem Familien im unteren Einkommensdrittel oft besonders viel Fleisch konsumieren, da Fleischprodukte oftmals günstiger sind als Gemüse. Im Biofachhandel lautet das Motto deshalb: Lieber weniger, dafür bessere Qualität.
Typische Bio-Einsteiger:innen sind dabei junge Eltern, die für ihre Kinder höchste Qualität wollen und dabei wirklich tief in die Materie eintauchen. Doch häufig bleibt dieser Bio-Fokus auf die Kinder beschränkt – für sich selbst greifen besagte Eltern nämlich leider allzu oft zu konventionellen Produkten. Hier sieht Krainz-Blum Nachholbedarf: Das Bewusstsein für Wertigkeit sollte dabei über die Kinder hinausgehen.
Strenge Kontrolle schafft Vertrauen
Bio-Produkte sind die am strengsten kontrollierten Lebensmittel überhaupt, weiß Krainz-Blum. Jährliche Prüfungen von Produktionslisten, Wareneingängen und -ausgängen sorgen für lückenlose Nachvollziehbarkeit. „Das kann man gar nicht oft genug sagen“, betont Krainz-Blum – gerade in Zeiten, in denen manche Konsument:innen noch skeptisch gegenüber Bio sind.
Blick in die Zukunft: Bio als neues Normal
Wenn Elisabeth Krainz-Blum nach vorne schaut, ist ihre Vision klar: Bio sollte das neue Normal sein. Nicht Bio müsste gekennzeichnet werden, sondern vielmehr all jene Produkte, die schlechtere Standards aufweisen.
Gerade im Hinblick auf große Herausforderungen wie Bodenversiegelung und Bodendegradation sieht sie dringenden politischen Handlungsbedarf. Bio setze hier mit Fruchtfolgen, Zwischenfrüchten und bodenschonender Landwirtschaft wichtige Akzente. „Bio kann die Welt ernähren“, sagt Krainz-Blum überzeugt. „Wir sollten gar nicht mehr darüber reden müssen – weil es selbstverständlich ist.“
Mehr als ein Geschäft, ein Statement
Die Geschichte von Elisabeth Krainz-Blum zeigt, dass der Biofachhandel weit mehr ist als nur eine weitere Einkaufsstätte. Es geht um Werte, Vertrauen und das ganzheitliche Verständnis, dass Ernährung ein gesellschaftliches und ökologisches Thema ist. Mit Mein Müli und ihrer Arbeit im Forum Biofachhandel setzt Krainz-Blum ein starkes Zeichen: Bio ist mehr als ein Label – es ist eine Haltung.