
Die jüngsten Schlagzeilen rund um den Anteil von Importfleisch in den Kantinen des Landwirtschaftsministeriums haben erneut eine zentrale Frage aufgeworfen: Wie ernst ist es Österreich mit dem eigenen Anspruch, regionale und biologische Lebensmittel zu fördern? Der aktuelle Fall zeigt, dass Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinanderliegen – und dass es dringend Veränderungen braucht.
Zwischen Anspruch
In Österreich wird mit einem Anteil von 27,4 Prozent mehr als ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Fläche biologisch bewirtschaftet. Österreich versteht sich schon lange als Land der kurzen Wege, der bäuerlichen Familienbetriebe und der nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Rund ein Viertel aller landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaftet bereits biologisch. Ein Spitzenwert in Europa. Auch der Selbstversorgungsgrad ist in Österreich extrem hoch. Für Fleisch zum Beispiel, liegt dieser bei 107 Prozent, Österreich könnte seinen Bedarf an Fleisch also selbst decken.
und Realität
Die Realität sieht jedoch anders aus. Wie die Krone herausgefunden hat, stammen aus den Kantinen des Landwirtschafts-Ministeriums aktuell lediglich etwa 30 Prozent des Fleisches aus Österreich, der Rest aus EU-Importen. Bio-Produkte wurden dabei gar nicht erst angeboten! Das zeigt, dass selbst dort, wo die politischen Weichen gestellt werden, Nachholbedarf besteht.
Der naBe-Aktionsplan
Vor allem, dass kein Bio angeboten wurde ist angesichts der Vorgabe des naBe‑Aktionsplans („Nationaler Aktionsplan für nachhaltige öffentliche Beschaffung“) besonders bitter. Österreich hat sich in dieser Vorgabe nämlich recht ambitionierte Ziele gesetzt, die auch konsequent umgesetzt werden wollten. Bis 2025 sollte der Bioanteil in Einrichtungen des Bundes auf 30 Prozent steigen, bis 2030 gar auf 55 Prozent.
Ein Strukturproblem?
Viele Kantinenbetreiber:innen sind an langfristige Verträge gebunden oder verfügen nur über begrenzte Budgets, heißt es oft als Erklärung für diese Missstände. Das sind nachvollziehbare Gründe, aber keine unüberwindbaren. Wie Ralf Schaufinger von BioMenü beim ARGE-Bio-Fachtag zeigte, lässt sich ein vollwertiges Bio-Gericht bereits für rund 4 bis 5 Euro brutto anbieten. Mit einem ausgewogenen Speiseplan, der nur zweimal pro Woche Fleisch, dafür aber ausschließlich in Bio-Qualität vorsieht.
Das Argument, Bio sei zu teuer, greift zu kurz. Oft fehlt es eher an Wissen und Kreativität in der Küche, um mit regionalen Lebensmitteln wirtschaftlich zu arbeiten. Hier ist die Politik gefordert, durch gezielte Förderung regionaler Lieferketten und klare Bio-Quoten in der NaBe-Strategie den nötigen Rahmen zu schaffen. Durch Weiterbildung lässt sich auch das Know-how stärken, wie nachhaltige Küche gelingen kann.
Minister Totschnigs Reaktion
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig hat auf die Berichterstattung reagiert. Er betont, dass im Bericht der Krone „einiges missverständlich dargestellt“ worden sei. Überall dort, wo das Ministerium direkten Einfluss habe, sei bereits umgestellt worden. In zehn Kantinen würden mittlerweile 80 Prozent der Lebensmittel regional und 35 Prozent biologisch eingekauft.
Für die Kantinen im Regierungsgebäude am Stubenring, die von der Burghauptmannschaft betrieben werden, kündigte der Minister an, Gespräche zu führen:
„Da gibt es ordentlich Luft nach oben – denn wir wollen eine nachhaltige Beschaffung und mehr regionale Lebensmittel am Teller.“
Zudem sei bei einer neuen Kantine bereits eine Anpassung der Pachtverträge geplant, um künftig noch stärker auf heimische und biologische Produkte zu setzen.
Bio kein Luxus, sondern wirtschaftlicher Gamechanger
Bio darf dabei nicht als Kostenfaktor, sondern muss als Investition verstanden werden: in Tierwohl, Bodengesundheit, Klimaschutz und regionale Wertschöpfung. Wer in heimische Produkte investiert, stärkt bäuerliche Existenzen, reduziert Transportemissionen und sorgt für mehr Qualität in der Gemeinschaftsverpflegung.
Bio kann – vor allem wirtschaftlich! – sogar zum echten Gamechanger werden. Oft wird argumentiert, Bio sei teurer. Doch das greift zu kurz. Wenn man die wahren Kosten berücksichtigt zeigt sich ein anderes Bild: Die industrielle Lebensmittelproduktion verursacht nämlich versteckte Folgekosten (Grundwasserreinigung, Artenverlust, Klimabelastung), die wir alle nicht an der Kassa, aber später über Steuern und Umweltmaßnahmen bezahlen. Bio hingegen schont Ressourcen, schützt Böden und Wasser und vermeidet genau diese Zusatzkosten. Langfristig bedeutet das: Bio ist nicht teurer, sondern billiger!
Warum Regionalität und Bio entscheidend sind
Die Diskussion zeigt, dass Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung kein Randthema ist, sondern ein zentraler Hebel für den Wandel in unserer Gesellschaft. Wenn öffentliche Einrichtungen bewusst auf Bio- und Regionalprodukte setzen, hat das direkte Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette:
- Stärkung der heimischen Landwirtschaft: Bauernbetriebe, die biologisch wirtschaften, erhalten durch öffentliche Nachfrage eine stabile Absatzgrundlage.
- Mehr Transparenz und Vertrauen: Herkunftskennzeichnung schafft Bewusstsein. Gerade in Zeiten, in denen viele Konsumenten und Konsumentinnen den Unterschied zwischen Bio und konventionell nicht kennen.
- Vorbildfunktion des Staates: Öffentliche Küchen, Schulen oder Spitäler können mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass nachhaltige Ernährung kein Luxus ist, sondern machbar und wirtschaftlich sinnvoll.
- Wirtschaftlichkeit für die Allgemeinheit: Wer auf Bio setzt, spart langfristig Kosten. Was heute als Mehrpreis erscheint, senkt morgen die Ausgaben für Reparaturmaßnahmen und entlastet damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.
Zeit für einen echten Systemwandel
Der aktuelle Fall zeigt sinnbildlich, wie weit Ankündigungen und gelebte Praxis oft auseinanderklaffen. Solange der Einkauf öffentlicher Einrichtungen nicht konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, drehen wir uns im Kreis. Es braucht einen echten Change in der Beschaffungspolitik. Mit klaren Quoten, mehr Transparenz und einem verbindlichen Monitoring.
In Österreich werden, laut BIO AUSTRIA, täglich über 2 Millionen Mahlzeiten in der Außer-Haus-Verpflegung ausgegeben. Die öffentliche Beschaffung ist damit eine zentrale Stellschraube für den Ausbau der heimischen Bio-Landwirtschaft und die Stärkung bio-regionaler Wertschöpfungsketten. Doch nur wenn die öffentliche Hand mit gutem Beispiel vorangeht, kann Nachhaltigkeit glaubwürdig gelebt werden. Vom Feld bis in die Kantine. Die aktuelle Debatte zeigt eines deutlich: Die Ziele sind da, der Wille auch. Doch zwischen politischem Anspruch und gelebter Realität klafft oft eine Lücke. Der naBe-Aktionsplan gibt den Rahmen vor, doch ohne konsequente Umsetzung und regelmäßiges Monitoring bleiben viele Maßnahmen leider nur auf dem Papier.
Titelbild © CDC via Unsplash (Zugriff 20.10.2025)
