
Während Frankreich und Deutschland Parkinson nach Kontakt mit Pestiziden bereits als Berufskrankheit für Landwirte anerkennen, bleibt Betroffenen in Österreich diese Unterstützung bisher verwehrt – trotz wissenschaftlich belegter Risiken.
Parkinson und Pestizide: Ernte retten – Gesundheit gefährden?
Um Ernteausfälle zu verhindern, greifen Landwirte und Landwirtinnen häufig zu Pflanzenschutzmitteln – sogenannten Pestiziden. Doch was Pflanzen schützt, kann für Menschen zum Gesundheitsrisiko werden. Immer mehr wissenschaftliche Hinweise deuten darauf hin, dass bestimmte Pestizide das Risiko erhöhen, an Parkinson zu erkranken – einer chronisch fortschreitenden Erkrankung des Nervensystems.
Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigt, gibt es eine Assoziation zwischen einer andauernden und hohen beruflichen Exposition gegenüber bestimmten Pestiziden und der Entstehung von Parkinson. Besonders das Insektizid Rotenon und das Herbizid Paraquat gelten als kausal mit der Entstehung von Parkinson verbunden. Beide sind in der EU inzwischen nicht mehr zugelassen. Für andere Pestizide gibt es bisher vor allem statistische Zusammenhänge, aber keine eindeutigen kausalen Belege.
53 Pestizide mit erhöhtem Parkinson-Risiko
Das Umweltinstitut konnte sich diesbezüglich ungefähr 300 Pestizide anschauen, die während der vergangenen 50 Jahre in der direkten Umgebung von mindestens 25 der Studienteilnehmer:innen benutzt wurden und zu denen auch statistische Aussagen getroffen werden können. Ergebnis: Für 53 Pestizide konnte ein erhöhtes Parkinson-Risiko festgestellt werden. Doch wie schon erwähnt sind diese Zusammenhänge rein statistisch. Darüber hinaus identifizierte eine große Fall-Kontroll-Studie aus Kalifornien 68 Pestizidwirkstoffe mit einer starken Assoziation zum Parkinson-Risiko.
Parkinson auf dem Vormarsch
Weltweit hat sich die Zahl der Parkinson-Betroffenen in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht: von etwa 2,5 Millionen in den 1990er-Jahren auf über sechs Millionen im Jahr 2016. In Österreich leben heute rund 25.000 Menschen mit dieser Krankheit. Obwohl der genaue Entstehungsmechanismus von Parkinson noch nicht vollständig geklärt ist, gilt das Alter als wohl bedeutendster Risikofaktor, wie sagt Atbin Djamshidian, Leiter der Abteilung Bewegungsstörungen an der Universitätsklinik Innsbruck im Profil erklärt. Daneben spielen auch genetische Veranlagung, Geschlecht – Männer sind häufiger betroffen – sowie Umweltfaktoren eine Rolle. Neben Alter und Genetik könnten aber auch Schlafmangel sowie der Kontakt mit Pestiziden, Herbiziden und Insektiziden eine Rolle spielen, erklärt Atbin Djamshidian weiter.
Parkinson und Pestizide: Verbotene Stoffe mit Nachwirkungen
Besonders kritisch sind Mittel, die heute in der EU verboten sind, aber lange im Einsatz waren. Dazu zählen etwa:
- Maneb: ein Fungizid, das laut EU-Pestiziddatenbank bis Anfang 2017 zugelassen war und bei Pilzbefall im Wein-, Obst- und Gemüsebau eingesetzt wurde.
- Paraquat: ein hochwirksames Herbizid (Unkrautbekämpfungsmittel), das nachweislich neurotoxisch wirkt.
- Rotenon: ein Insektizid, das ebenfalls mit einem erhöhten Parkinson-Risiko in Verbindung gebracht wird.
Obwohl diese Substanzen inzwischen verboten sind, können Rückstände noch immer in der Umwelt vorhanden sein – oder sie wurden über Jahre hinweg eingeatmet und aufgenommen.
Wie Pestizide das Gehirn schädigen können
Warum bestimmte Pestizide mit einem erhöhten Parkinson-Risiko in Verbindung gebracht werden, erklärt der Neurologe Atbin Djamshidian folgendermaßen: „Man nimmt an, dass Insektizide und Pestizide zu einer Störung der Energielieferanten der Zellen führen könnten, welche den Energiehaushalt der Nervenzelle stören könnten – dies könnte dann zur Bildung von toxischen Stoffen führen, welche wiederum zellschädlich ist. Zusätzlich nimmt man an, dass die Bildung von pathologisch gefalteten Eiweiß-Einlagerungen in Nervenzellen durch Insektizide und Pestizide gefördert werden kann.“
Ein weiterer möglicher Mechanismus betrifft die Eiweißstruktur im Gehirn: Pestizide könnten die Bildung krankhaft veränderter Eiweißablagerungen in Nervenzellen fördern. Diese fehlgefalteten Proteine verlieren ihre natürliche Struktur, lagern sich ab und können Zellen langfristig schädigen – ein typisches Merkmal bei Parkinson.
Parkinson: Störung des Gleichgewichts im Darm
Doch auch der Darm spielt eine zentrale Rolle, erklärt Eva Schäffer, Neurologin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel. Sie forscht intensiv an diesem Zusammenhang. Schäffer geht davon aus, dass bei einem Teil der Betroffenen das empfindliche Gleichgewicht im Darm – das sogenannte Mikrobiom, bestehend aus Bakterien, Pilzen und Viren – gestört wird. Pestizide könnten dazu beitragen, dass sich krankmachende Mikroorganismen ausbreiten und einen chronischen Entzündungsprozess auslösen. Die Folge: Die Darmwand wird durchlässiger, was es Schadstoffen erleichtert, in den Blutkreislauf zu gelangen – und möglicherweise auch bis ins Gehirn.
Darüber hinaus scheint der Einsatz bestimmter Pestizide auch den Dopaminstoffwechsel zu beeinflussen. Dopamin, häufig als „Glückshormon“ bezeichnet, spielt eine zentrale Rolle für die Bewegungssteuerung. Wird seine Produktion oder Verwertung gestört, kann das den Abbau von Nervenzellen beschleunigen – und damit zur Entstehung von Parkinson beitragen.
Parkinson und Pestizide: Anhaltende Risiken – fehlende Anerkennung
Neben den bereits verbotenen Stoffen stehen auch heute noch zugelassene Pestizide im Verdacht, langfristige neurologische Schäden auszulösen. Dennoch fehlt es in Ländern wie Österreich bislang an einer konsequenten arbeitsrechtlichen und gesundheitspolitischen Anerkennung.
Während in Frankreich Parkinson bereits seit 2012 als Berufskrankheit anerkannt wird – wenn ein Zusammenhang mit dem Kontakt zu Pestiziden besteht – und Deutschland dem französischen Beispiel im März 2024 folgte, hinkt Österreich hinterher. Bei uns gibt es bislang nämlich n0ch keine vergleichbare Regelung. Die Grünen in der Steiermark fordern zwar, das zu ändern, und haben einen entsprechenden Antrag im Landtag eingebracht, doch kann es noch dauern, bis in diese Richtung etwas passiert.
„Wenn Landwirtinnen und Landwirte mit diesen Chemikalien arbeiten müssen, brauchen sie einerseits fundierte Informationen über die Gesundheitsrisiken und andererseits rechtliche sowie finanzielle Absicherung im Krankheitsfall“, betont Klubobfrau Sandra Krautwaschl gegenüber profil.
Parkinson durch Pestizide: Biologische Alternativen
Auch wenn es ausweglos erscheint, so ist die Zuhilfenahme von Pestiziden kein muss! Langjährige Praxiserfahrungen zeigen, dass viele problematische chemische Pflanzenschutzmittel durch umweltfreundlichere, biologische Alternativen ersetzt werden können. Dabei können Nützlinge, Mikroorganismen, Pheromone und natürliche Wirkstoffe erfolgreich eingesetzt werden. Insbesondere in Sonderkulturen haben sich diese Methoden bewährt und finden zunehmend auch im konventionellen Ackerbau Anwendung.
Gerade die biologische Landwirtschaft zeigt, wie es anders geht: Sie verzichtet vollständig auf synthetische Pestizide und setzt stattdessen auf natürliche Kreisläufe und vorbeugende Maßnahmen. Das schützt nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit von Mensch und Tier – und sorgt gleichzeitig für gesunde Böden und eine hohe Biodiversität.
Nützlinge wie Raubmilben, Schlupfwespen oder Florfliegen sind aus dem Pflanzenschutz in Gewächshäusern kaum mehr wegzudenken. Im Obstbau ist der Einsatz von Pheromonen zur Verwirrung von Schadinsekten wie dem Apfelwickler mittlerweile gängige Praxis. Um diese biologischen Strategien jedoch noch breiter einsetzen zu können – auch auf offenen Feldern – braucht es mehr Investitionen in praxisnahe Forschung und gezielte Beratung für Landwirtinnen und Landwirte.
Titelbild @ Aleksander Dumała via pexels (Zugriff 28.05.2025)