Tierhaltung pflanzliche Ernährung

In der Debatte um nachhaltige Ernährung gilt pflanzliche Kost oft als umweltfreundlichste Lösung. Doch dabei wird ein zentraler Aspekt übersehen: Der Anbau pflanzlicher Lebensmittel produziert große Mengen an nicht-essbarer Biomasse. Wie etwa Stroh, Schalen oder Gründüngung. Diese „Reststoffe“ machen ein Vielfaches der eigentlichen Nahrung aus und können vom Menschen nicht genutzt werden. Nutztiere, insbesondere Wiederkäuer, sind jedoch in der Lage, diese Nebenprodukte effizient zu verwerten. Und liefern daraus zusätzlich hochwertige Nahrungsmittel. Tierhaltung ist deshalb kein Auslaufmodell, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden, nachhaltigen Landwirtschaft.

Anbau pflanzlicher Nahrung = viel nicht-essbare Biomasse

In der öffentlichen Diskussion um nachhaltige Ernährung wird häufig betont, dass eine pflanzenbasierte Ernährung ökologisch sinnvoller sei als der Konsum tierischer Produkte. Doch diese Sichtweise greift oft zu kurz: Denn der Anbau pflanzlicher Nahrung produziert weitaus mehr nicht-essbare Biomasse als essbare. Diese „Reststoffe“ – etwa Stroh, Spreu, Schalen und Gründüngung – machen dabei jedoch ein Vielfaches der essbaren Pflanzenmasse für Tiere aus.

Die entscheidende Frage lautet daher: Was passiert mit diesen riesigen Mengen an Pflanzenmaterial, das der Mensch nicht direkt nutzen kann? Die Antwort: Nutztiere, vor allem Wiederkäuer, spielen eine zentrale Rolle in der effizienten Verwertung dieser Biomasse – und liefern dabei zusätzlich wertvolle Nahrungsmittel. Tierhaltung ist deshalb kein Widerspruch zur pflanzlichen Ernährung, sondern deren notwendige Ergänzung.

1 kg pflanzliche Nahrung = mindestens 4 kg nicht-essbare Biomasse

Ein Blick auf die Bilanz der landwirtschaftlichen Produktion zeigt: Der größte Teil der geernteten Biomasse ist für den menschlichen Verzehr schlicht und einfach ungeeignet. Am Beispiel Deutschlands ergibt sich folgendes Bild: Von rund 120 Millionen Tonnen Trockenmasse (TM), die jährlich geerntet wird, ist nur ein Bruchteil direkt essbar. Der Großteil der jährlich geernteten Trockenmasse in der Landwirtschaft ist nicht unmittelbar für den menschlichen Verzehr geeignet. Dies bestätigt auch die internationale Agrarforschung. Laut Windisch von der Technischen Universität München beträgt die maximale „Ausbeute“ an pflanzlicher Nahrung aus Ernteprodukten lediglich 20 Tonnen.

Oder wie es Prof. Dr. Wilhelm Windisch von der TU München auf den Punkt bringt:

„Je Kilogramm veganes Lebensmittel für den menschlichen Verzehr fallen in der landwirtschaftlichen Produktion etwa vier Kilogramm nicht essbare pflanzliche Biomasse an. Diese Biomasse enthält große Mengen an Pflanzennährstoffen. Durch die Verfütterung profitieren die Tiere von den Nährstoffen, die sonst verloren wären. Und die Tiere können daraus sogar Lebensmittel produzieren. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Produktionswert in der Größenordnung des Nährwerts der veganen Lebensmittel. Anders gesagt: Werden die Pflanzenreste nicht an Tiere verfüttert, entsteht am Ende ein Nettoverlust an Nahrung, der etwa so groß ist wie die vegane Produktion selbst.“

Tatsache ist somit, dass nur ein kleiner Teil dieser (veganen) Trockenmasse aus Getreidekörnern, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse besteht – also Lebensmitteln, die vom Menschen direkt gegessen werden können. Ein Großteil der Trockenmasse stammt aus Ernterückständen wie Stroh, Silage, Heu und anderen pflanzlichen Reststoffen, die entweder als Futtermittel für Tiere dienen oder für die Energiegewinnung (z.B. Biogas, Verbrennung) genutzt werden können. So landet beispielsweise nur etwa ein Drittel der Weizenpflanze im Mehl – der Rest besteht aus Stroh, Spelzen und anderen Nebenprodukten.

Diese „Abfälle“ sind jedoch keineswegs wertlos. Sie stellen vielmehr eine enorme energetische und nährstoffreiche Ressource dar, die sinnvoll genutzt werden kann – insbesondere durch die Tierhaltung.

Wiederkäuer verwandeln Reststoffe in wertvolle Nahrung

Wiederkäuer wie Rinder, Schafe oder Ziegen sind in der Lage, diese nicht-essbare Biomasse (auch in Form von Grünland) effizient zu verwerten – und liefern dabei hochwertige Lebensmittel ohne Nahrungskonkurrenz, wie Windisch erläutert. Das bedeutet: Sie fressen, was der Mensch nicht nutzen kann, und erzeugen daraus Produkte wie Milch und Fleisch, welche für den Menschen wiederum nutzbar sind. Nutztiere liefern somit zusätzliche Nahrung aus nicht-essbarer Biomasse.

Für jede Einheit essbarer pflanzlicher Nahrung (z. B. 1 kg Getreidekörner = 100 g Eiweiß 3000 kcal) entstehen somit mindestens vier Einheiten nicht-essbare Biomasse (z. B. 4 kg Stroh, Spelzen, Pflanzenreste etc.). Aus dieser nicht-essbaren Biomasse lassen sich jedoch zum Beispiel 3 kg Kuhmilch und 0,5 kg Rindfleisch gewinnen (150 g Eiweiß/ 1500 kcal) – pro Kilogramm ursprünglich erzeugter pflanzlicher Nahrung. Das ist eine deutliche Ergänzung zur rein pflanzlichen Ernährung, ohne dass zusätzliches Ackerland benötigt wird.

Durch die Verwertung nicht-essbarer Biomasse (z. B. Stroh, Gründüngung, Pflanzenreste) durch Nutztiere – vor allem Wiederkäuer – kann die Landwirtschaft mindestens 50 % mehr Nahrung aus derselben Fläche erzeugen, ohne mit der menschlichen Ernährung in Konkurrenz zu treten.

Aus den pflanzlichen Nebenprodukten, die der Mensch nicht essen kann, entsteht somit zusätzliche tierische Nahrung aus bestehenden Flächen, ohne mehr Ackerland zu brauchen. Aktuelle Zahlen zur Nutzung dieser Biomasse:

  • 2/3 der heute erzeugten Milch und Rindfleisch stammen aus nicht-essbarer Biomasse (Gras, Heu, Stroh, Silage).
  • Etwa 1/2 des Schweinefleischs basiert auf Nebenprodukten, wie Kleie oder Pressrückständen.
  • Nur ca. 10 % der Geflügelprodukte nutzen solche Biomasse – hier dominiert Futtergetreide, das auch vom Menschen essbar wä

Tierhaltung ist Teil der Lösung – nicht des Problems

Die Vorstellung, man könne durch den vollständigen Verzicht auf Tierhaltung eine nachhaltigere Landwirtschaft erreichen, ist trügerisch. Denn ohne Nutztiere bliebe ein Großteil der erzeugten Biomasse ungenutzt – ein ökologischer und ökonomischer Verlust. Die Verfütterung dieser Biomasse an Wiederkäuer ermöglicht eine effektive Kreislaufwirtschaft, verbessert die Bodenfruchtbarkeit und liefert zusätzliche, hochwertige Lebensmittel, ohne mit der pflanzlichen Ernährung in Konkurrenz zu treten. Wie Windisch erklärt:

„Die Kombination von rein pflanzlichen (veganen) Produkten und die Verfütterung der Nebenprodukte ist eine Win-Win-Situation für Tier und Mensch. Aus derselben Biomasse lässt sich so ein Maximum an Lebensmitteln gewinnen, während die Emissionen weitgehend unverändert bleiben. Eine einseitig für vegane Lebensmittel genutzte Landwirtschaft ist weder nachhaltig noch klimaschonend, eine einseitig intensive Tierhaltung auch nicht. Erst in der richtigen Kombination erreicht die Umwelt- und Klimawirkung der Landwirtschaft ihr Minimum.“

Wer also wirklich ressourcenschonend und nachhaltig wirtschaften will, kommt an der Tierhaltung – insbesondere an der Wiederkäuerhaltung – nicht vorbei. Pflanzliche Ernährung und Tierhaltung sind keine Gegensätze, sondern bilden gemeinsam ein stabiles Fundament für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.


Titelbild @ ün LIU via Unsplash (Zugriff 01.08.2025)