
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher gehen davon aus, dass Tiere aus biologischer Haltung nicht nur unter besseren Bedingungen leben, sondern auch auf besonders schonende Weise getötet werden. In der Praxis ist das jedoch oft nicht der Fall. Dennoch existieren mittlerweile Verfahren und Konzepte, die den Tieren beim Schlachten deutlich mehr Ruhe und weniger Leid ermöglichen.
Bereit für Tierhaltung mehr zu bezahlen
Tierwohl ist längst kein Nischenthema mehr. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft würden 57,3 Prozent der Generation Z – also Menschen, die ab 1997 geboren wurden – höhere Fleischpreise akzeptieren, sofern diese mit besseren Tierhaltungsstandards, nachhaltigerer Fütterung oder anderen ökologischen Verbesserungen verbunden sind. Das bedeutet einfach formuliert: Immer mehr Menschen sind bereit, für Bio-Fleisch tiefer in die Tasche zu greifen.
Kein Wunder, denn Bio-Tiere genießen mehr Platz, dürfen ihr natürliches Verhalten ausleben, werden nicht verstümmelt, erhalten weniger Medikamente und größtenteils regionales Futter. Und: Ihr Fleisch gilt als besonders hochwertig und geschmackvoll.
Tierwohl verschwindet am Weg zum Schlachthof
Doch eines bleibt bitter: Auf dem Weg zum Schlachthof verschwinden viele dieser tierethischen Unterschiede. Denn dort macht das Schlachtsystem nämlich keinen Unterschied, ob ein Tier biologisch oder konventionell gehalten wurde. Die Schlachtbedingungen sind allzu oft dieselben. Und dieser letzte Weg verläuft dabei leider nicht immer so schnell und schmerzfrei, wie es das Tierschutzgesetz eigentlich verlangt.
Qualvolle Betäubung: Wenn Schweine im CO₂-Gas ersticken
Die im industriellen Maßstab am häufigsten eingesetzte Betäubungsmethode bei Schweinen ist die sogenannte CO₂-Betäubung. Dabei werden die Tiere in enge Gondeln oder Käfige getrieben, die anschließend in Schächte mit hoher Kohlendioxidkonzentration abgesenkt werden.
In der Theorie soll das Gas die Tiere rasch bewusstlos machen, bevor sie geschlachtet werden. Doch in der Praxis zeigt sich ein anderes Bild: Das CO₂ reizt nämlich stark die Schleimhäute, verursacht Schmerzen beim Einatmen und führt zu massiver Atemnot. Viele Tiere geraten in Panik, schreien, winden sich und versuchen verzweifelt, zu fliehen. Verletzen sich dabei auch gegenseitig.
Tierschutzexpert:innen kritisieren diese Methode schon seit Jahren. Denn bis zur tatsächlichen Bewusstlosigkeit können so bis zu 90 Sekunden vergehen. Eine Ewigkeit für ein leidendes Tier. Obwohl das Tierschutzgesetz vorschreibt, dass Nutztiere „schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden“ betäubt werden müssen, zeigt sich, dass die CO₂-Betäubung diesem Anspruch nicht gerecht wird. Trotzdem werden rund 80 Prozent der in Deutschland geschlachteten Schweine mit dieser CO2-Methode betäubt. Auch solche aus Bio-Haltung. Denn die EU-Bio-Verordnung macht zum Thema Schlachten keine spezifischen Vorgaben. Sie verlangt lediglich eine saubere Trennung zwischen ökologischen und konventionellen Tieren.
Die Realität der Schlachthöfe
Viele Konsumentinnen und Konsumenten haben da natürlich ein anderes Bild vor Augen, wenn sie im Bioladen ein Schweinesteak oder einen Schinken kaufen. Sie erwarten kurze Transportwege, respektvolle Behandlung und eine stressfreie Schlachtung.
Doch die Realität sieht oft anders aus. Immer weniger, dafür immer größere Schlachthöfe dominieren den Markt. Mit entsprechend langen Transportwegen und hohem Durchsatz an Tieren. Nach der EU-Bio-Verordnung soll die Dauer von Tiertransporten „möglichst kurz“ gehalten werden. Manche Bio-Verbände schreiben sogar vor, dass ein Transport nicht länger als vier Stunden dauern und maximal 200 Kilometer weit sein sollte.
Doch was soll man tun, wenn der naheliegendste Schlachthof einfach länger weg ist, weil es so wenige davon gibt? Weil die Anzahl der Schlachthöfe (in Deutschland) stetig abnimmt, wird es für Bio-Betriebe immer schwieriger, bio-zertifizierte Schlachthöfe in ihrer Nähre zu finden, bei denen sie kurze Transportwege einhalten können. Ein Teufelskreis.
Forschung arbeitet an tierfreundlicheren Betäubungsmethoden
Doch die Suche nach Alternativen zu den gängigen Betäubungsverfahren mit CO₂ oder auch Strom läuft auf Hochtouren. Am Friedrich-Loeffler-Institut, der deutschen Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit, wird nämlich intensiv daran geforscht, wie sich das Leid der Tiere vor der Schlachtung verringern lässt.
Neueste Untersuchungen zeigen dabei, dass Gasgemische mit Argon oder Stickstoff bei den Tieren deutlich weniger Stress auslösen als CO₂ und somit klare Vorteile für das Tierwohl bringen. Unterschiede in der Fleischqualität seien bislang nicht festgestellt worden. Allerdings haben diese neueren Verfahren ihren Preis. Und das sowohl finanziell als auch zeitlich. Denn die benötigten Gase sind nicht nur teurer. Auch die Betäubung dauert bis zu 40 Prozent länger.
Für Schlachtbetriebe spielt das natürlich eine große wirtschaftliche Rolle. „Die Mehrkosten liegen hierbei etwa bei einem Cent pro Kilogramm Fleisch, so die Studie. Bis die neuen Methoden jedoch flächendeckend in bestehenden Anlagen einsetzbar sind, braucht es noch weitere Forschung und Anpassung der Technik.
Geflügel: Gas statt Strom
Bei Geflügel ist die Situation besonders kritisch. Hühner, Puten oder Enten werden meist kopfüber aufgehängt und in ein elektrisches Wasserbad getaucht, um sie zu betäuben. Ein Vorgang, den Tierschützer:innen seit Jahren als äußerst belastend kritisieren. Verletzte oder ängstliche Tiere leiden besonders, und wenn sie sich stark bewegen, kann es passieren, dass sie das Wasserbad gar nicht richtig berühren. Mit der Folge, dass sie bei Bewusstsein getötet werden.
Ein von der Bundesregierung gefördertes Forschungsprojekt kam zu dem Ergebnis, dass bedauerlicherweise gerade Bio-Geflügel häufiger fehlbetäubt wird. Der Grund: Tiere aus Öko-Aufzucht unterscheiden sich stärker in Größe und Körperzusammensetzung, was die Stromwirkung beeinflusst. Aufgrund der unterschiedlichen Größe tauchen sie eben nicht alle gleich tief in das Wasserbad ein. Möglich ist auch, dass sie ein anderes Verhältnis von Fett zu Muskeln haben als konventionelles Mastgeflügel und deswegen schwieriger zu betäuben sind. Das Projekt kam zu dem Schluss, dass Gasbetäubung für Geflügel bei korrekter Anwendung die tierfreundlichere Alternative zur Elektrobetäubung ist.
Tierwohl bis zum letzten Moment – kurze Wege und durchdachte Abläufe bei Sonnberg
Während viele Schlachtbetriebe lange Transportwege und Massenabfertigung in Kauf nehmen, verfolgt die Bio-Fleischerei Sonnberg einen völlig anderen Ansatz. Der Betrieb liegt mitten im Mühl- und Waldviertel, einer Region, die von kleinstrukturierter Mutterkuhhaltung geprägt ist. Dadurch sind die Wege von den Bio-Höfen zum Schlachtbetrieb besonders kurz – ein entscheidender Faktor für das Tierwohl. Lange Fahrten, fremde Umgebungen oder stressige Umladungen entfallen.
Bereits beim Abladen zeigt sich, wie sehr Sonnberg den Fokus auf das Wohl der Tiere legt. Der gesamte Transportprozess ist EU-weit streng geregelt, doch Sonnberg geht weit darüber hinaus: Die Anlieferung erfolgt in aller Ruhe und nach präziser Planung, um jede Form von Hektik zu vermeiden. Die Tiere kommen aus einem Umfeld, in dem sie rund 150 Tage im Jahr auf der Weide verbringen und sich frei bewegen können. Das bedeutet allerdings auch, dass sie den Übergang aus dem weiten Raum der Wiese in den geschlossenen Stall als ungewohnt empfinden. Sonnberg begegnet diesem sensiblen Moment mit einem klaren Ziel: das Tier so ruhig und respektvoll wie möglich an den neuen Raum zu gewöhnen.
„Der Firma Sonnberg Biofleisch, ein 100% Bio Schlachthof, ist eine ethisch korrekte Schlachtung ein essentielles Anliegen. Wir sehen dies als Verpflichtung gegenüber unseren Kundinnen und Kunden, unseren Landwirtinnen Landwirten und in erster Linie den Tieren, die vom Lebewesen zum hochwertigen Lebensmittel werden.“ – Manfred Huber, Gründer und Geschäftsführer Sonnberg Biofleisch
Ein Stallkonzept, das seinesgleichen sucht
Was Sonnberg besonders macht, ist das einzigartige Stall- und Schlachtkonzept, das in jedem Detail auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmt ist. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Vom Boden über das Licht bis zur Bauweise ist alles darauf ausgerichtet, Stress zu vermeiden. Der Boden ist strukturiert, um den Tieren Trittsicherheit zu geben, und ein spezielles Lichtkonzept schafft eine angenehme, blendfreie Atmosphäre.
Scharfe Ecken sucht man vergebens – keine rechten Winkel, keine abrupten Übergänge, denn Rinder bewegen sich lieber im Fluss. Der Zugang zur Betäubung führt leicht bergauf – ein Weg, den Rinder natürlicherweise bevorzugen.
Die Architektur folgt dabei den Erkenntnissen der renommierten Tierverhaltensforscherin Temple Grandin: sanfte Kurven statt Zwang, Neugier statt Angst. Eine halbkreisförmige Führung leitet die Tiere zur Betäubebox, in der sie ruhig fixiert werden. Keine Treibmittel, kein Zwang – das Tier soll aus eigenem Antrieb den Weg gehen. Zwischen den Aufstallungen sorgen blickdichte Trennungen dafür, dass nervöse und ruhigere Tiere getrennt werden können. Mitarbeitende mit Erfahrung erkennen, welches Tier unruhig ist, und können es – wie ein Arzt einen schwerer Verletzten – bevorzugt und zügig an die Reihe nehmen.
Ethische Schlachtgeschwindigkeit
Auch die Schlachtgeschwindigkeit ist Ausdruck des ethischen Anspruchs: Bei Sonnberg werden rund 15 Tiere pro Stunde verarbeitet – im Vergleich zu über 60 Tieren pro Stunde in Großbetrieben. Diese Entschleunigung ermöglicht Konzentration, Sorgfalt und Ruhe im Stall. Sollte ein Tier zögern oder sich umsehen wollen, bleibt Zeit dafür. Niemand drängt.
So entsteht ein Gesamtkonzept, das weit über das gesetzliche Mindestmaß hinausgeht. Es zeigt, dass Tierwohl bis zum letzten Moment nicht nur eine Frage der Haltung ist, sondern von jedem Schritt – vom Weidegang bis zur Betäubung – abhängt. Sonnberg beweist, dass Schlachtung ethisch, respektvoll und zugleich effizient möglich ist – wenn man bereit ist, auf jedes Detail zu achten.
Mobile Schlachtung – eine tierfreundliche, aber noch seltene Alternative
Um das Tierwohl weiter zu verbessern, denken einige Betriebe über den Einsatz mobiler Schlachteinheiten nach. Diese ermöglichen es, Tiere direkt auf dem Hof zu töten, also in ihrer gewohnten Umgebung. Studien zeigen, dass diese Methode den Stresslevel deutlich reduziert, etwa messbar an niedrigeren Cortisolwerten. Seit 2021 ist die mobile Schlachtung EU-weit rechtlich erlaubt, doch die Hürden sind hoch: Der bürokratische Aufwand ist enorm, und nicht alle Veterinärämter unterstützen das Verfahren gleichermaßen.
Neben den organisatorischen Herausforderungen spielt auch der Kostenfaktor eine Rolle. Laut Schätzungen entstehen durch mobile Schlachtungen Mehrkosten von rund einem Euro pro Kilo Fleisch. Ein erheblicher Betrag im Wettbewerb mit industriellen Schlachtbetrieben. Kein Wunder also, dass diese Praxis bislang eine Nischenlösung geblieben ist. 2024 wurde in Deutschland nur auf rund 120 Betrieben mobil geschlachtet, meist bei Rindern oder Geflügel.
Bei Schweinen ist das Verfahren bisher fast ausschließlich im kleinen, privaten Rahmen zu finden. Dennoch gilt: Die mobile Schlachtung gilt als ein wichtiger Schritt, um Tierleid weiter zu reduzieren und den letzten Weg der Tiere so stressarm wie möglich zu gestalten.
Der Faktor Mensch – entscheidend für echtes Tierwohl bei der Schlachtung
Ganz gleich, ob im modernen Schlachthof, bei der mobilen Einheit oder in kleinen regionalen Betrieben. Letztlich entscheidet der Mensch über das Wohl oder Leid des Tieres. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) lassen sich bei bis zu 98 Prozent der Rinder, 97 Prozent der Schweine und 83 Prozent des Geflügels die Hauptursachen für Stress und Fehlbetäubungen auf menschliches Fehlverhalten zurückführen. Es ist also weniger die Technik oder Betriebsgröße, sondern die Qualifikation, Aufmerksamkeit und Ruhe der Mitarbeitenden, die über einen tierschutzgerechten Ablauf entscheidet.
Potenzial für mehr Tierwohl
Trotz aller Fortschritte bleibt also Potenzial für mehr Tierwohl – insbesondere zwischen Stall und Schlachtraum. Zwar existieren längst tierschonendere Betäubungsverfahren und auch Betriebe, die sich einer tierethischeren Schlachtung verschrieben haben, doch sie werden bislang nur vereinzelt eingesetzt. Dennoch zeigen Verfahren und Betriebe wie Sonnberg Biofleisch eindrucksvoll, dass Tierwohl nicht an der Stalltür enden muss.
Titelbild © ARGE
