
In früheren Zeiten war es selbstverständlich ein Tier ganzheitlich zu verbrauchen. Nach der Schlachtung wurde alles verwendet. In diesem Artikel erfährst du, was du als Privatperson vom Tier eigentlich alles und wofür genau verwenden könntest, wenn du dem Nose to Tail-Prinzip folgen würdest. Essenziell für einen wirklich nachhaltigen Wandel bleibt die Reduktion der Nahrungsmittelverschwendung.
Wie wir einst ganze Tiere verwertet haben
In früheren Zeiten war es ganz selbstverständlich: Wenn ein Tier geschlachtet wurde, nutzte man alles davon. Von der Nase bis zum Schwanz. #Nose to Tail. Ob Innereien, Knochen, Füße oder sogar das Hirn – jedes Stück hatte seinen Platz in der Küche. Suppen, Brühen, Ragouts, Pasteten und deftige Eintöpfe waren nicht nur nahrhaft, sondern auch Ausdruck von Respekt gegenüber dem Tier. Heute hingegen landet oft nur ein Bruchteil des Tieres auf dem Teller. Edelteile wie Filet, Schnitzel oder Hähnchenbrust werden bevorzugt, während große Mengen potenziell genießbarer Teile ungenutzt bleiben – sie gelten als „Abfall“ oder als „unmodern“. Dabei steckt in diesen „vergessenen Stücken“ oft besonders viel Geschmack, Vielfalt und Tradition.
Vom Rind: Mehr als nur Steak und Braten
Beim Rind wurden früher viele Teile genutzt, die heute kaum noch in Supermärkten zu finden sind. Die Rinderzunge etwa ist zart und lässt sich in feine Aufschnitte verwandeln. Was nur wenige wissen: Die Rinderzunge ist auch fester Bestandteil des gehypten Taco-Gerichts Tacos de Lengua. Auch das Rinderherz eignet sich hervorragend zum Kurzbraten oder als Einlage in Ragouts. Rinderbacken, einst ein preiswertes Schmorstück, liefern unglaublich aromatisches Fleisch, wenn man ihnen etwas Zeit gibt.
Innereien: eine vergessene Tradition
Die Innereien wie Leber, Nieren oder Kutteln (Pansen) waren früher feste Bestandteile der Alltagsküche. Der Pansen wurde gebraten und mit Essig abgelöscht, während Nieren- und Herzpansen in Hackfleischmischungen wanderten. Die Lunge landete in Suppen oder in Lungenwurst. Markknochen wurden ausgekocht – das Mark galt als Delikatesse.
Apropos Innereien: In der traditionellen chinesischen Küche ist es üblich, möglichst viele Teile eines Tieres zu verwerten – nicht nur das Muskelfleisch wie in vielen westlichen Küchen, sondern auch Innereien und Körperteile, die andernorts als „ungewöhnlich“ gelten. Dies reicht von Leber, Nieren, Herz, Zunge und Kutteln über Schweinedarm, Schweinemagen und Blut bis hin zu Hühnerfüßen, Schweinefüßen, Köpfen (sowohl vom Huhn als auch vom Kaninchen oder Fisch) und Schweineohren. Viele dieser Teile gelten als Delikatessen und werden in speziellen Gerichten serviert, oft mit charakteristischen chinesischen Würzungen wie Ingwer, Chili, Sojasauce, Reiswein und Sesamöl. Was sich auf den ersten Blick ungewohnt anhört erinnert jedoch an viele vergangene deutsche und österreichische Essgewohnheiten. Denn damals verwendete man auch hierzulande alle Bestandteile eines Tieres bei der Nahrungszubereitung. Sogar das Euter fand in Form von paniertem „Berliner Schnitzel“ Verwendung. Und Saum- oder Kronfleisch, das Zwischenrippenfleisch, war in Suppen und Gulasch beliebt – heute ist das alles fast vergessen.
Warum es sich lohnt alles vom Rind zu verwenden, erfährst du in diesem Video!
Vom Schwein: Delikatessen aus Kopf, Bauch und Darm
Auch beim Schwein war fast alles essbar. Der Schweinekopf wurde gekocht, das Fleisch als Sülze oder in Leberwurst verarbeitet. Zunge, Backe und Ohr kamen auf den Grill oder ins Ragout. Die Schweineleber wurde gebraten oder zu Pastete verarbeitet. Aus den Därmen stellte man traditionell Wursthüllen her – heute wird das meist durch Kunststoff ersetzt. Die Schwarte diente zum Entfetten von Pfannen oder wurde zu Griebenschmalz geschmolzen. Und der Speck – nicht zu verwechseln mit Bauchspeck – war ein beliebtes Frühstücksprodukt und diente auch als Würzmittel.
Schweinefüße, oft gepökelt oder als Eisbein bekannt, kamen in die Suppe oder wurden frittiert. Hirn war früher Bestandteil von Würsten und Terrinen, ist heute aber aus der Küche nahezu verschwunden. Eine Studie fand heraus, dass, wenn wir mehr vom Schwein essen würden, wären viele Probleme der Massentierhaltung einfacher zu lösen. Das macht eine einfache Rechnung deutlich: Ein Schwein ernährt etwa 200 Menschen, wollen wir aber nur die Premiumteile wie Filet essen, braucht es da natürlich mehrere Schweine.
Vom Huhn: Mehr als nur Brust und Keule
Beim Huhn besteht nach dem Entfernen von Brust, Keulen und Flügeln immer noch etwa ein Drittel des Tieres aus verwertbarem Material. Die Karkasse ergibt eine kräftige Brühe – ein Grundpfeiler jeder guten Hühnersuppe. Auch Leber, Herz und Magen finden in Suppen und Ragouts ihren Platz. Die Füße, heute eher ungewöhnlich auf dem deutschen Teller, sind in vielen Ländern eine Delikatesse – sie geben Brühen Geschmack und Gelatine und werden oft knusprig frittiert serviert.
Tradition trifft Nachhaltigkeit
Diese oft vergessenen Delikatessen sind nicht nur Teil einer langen kulinarischen Tradition, sie stehen auch für eine nachhaltige und respektvolle Verwertung von Tieren. Wer sich wieder auf das „ganze Tier“ besinnt, vermeidet Verschwendung, spart Geld – und entdeckt dabei neue (alte) Geschmackserlebnisse. Es lohnt sich, wieder mutiger beim Einkauf zu sein und mit Teilen zu kochen, die Großmütter noch ganz selbstverständlich verwendet haben. Was früher als „Arme-Leute-Essen“ galt, wird heute mehr und mehr als kluge, nachhaltige Küche erkannt – voller Geschmack, Geschichte und Wertschätzung.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Emissionen aus der Fleischproduktion ließen sich gravierend senken, wenn Fleischabfälle im Einzelhandel, in Haushalten und in der Gastronomie verringert werden würden. Zusätzlich könnten Nebenprodukte wie Schweinefüße oder Kuhmägen stärker verwertet werden. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich durch die Kombination aller analysierten Maßnahmen eine Nose to Tail-Ernährung, die Treibhausgasemissionen der Fleischproduktion um 43 Prozent reduzieren ließen.
Die ganzheitliche Verwendung eines Tieres bzw. sämtlicher Schlachtteile ist natürlich eine lange schon vergessene Kunst. Für mehr Informationen und vor allem konkrete Anleitungen findest du in diesem Video!
Weniger Fleisch, dafür aber Bio
Vergessene Delikatessen wie panierter Kuheuter mögen keine kulinarische Renaissance auslösen – doch sie öffnen den Blick für das, was möglich (und früher selbstverständlich) war. Nicht jeder und jede muss Innereien lieben, aber ein bewussterer Umgang mit Fleisch beginnt genau hier: beim Wissen um den ganzen Wert eines Tieres. Wirklich relevant ist dabei nicht, ob Euter wieder auf den Teller kommt, sondern dass wir insgesamt weniger Lebensmittel verschwenden und qualitativ besser konsumieren – weniger Fleisch, dafür aber Bio usw. Denn echte Veränderung beginnt nicht beim Trendgericht, sondern bei Wertschätzung, Vermeidung von Abfall – und der Entscheidung für bewusstes biologisches Essen.
Titelbild © Natalia Guskova via Unsplash (Zugriff 28.08.2025)