
Vertrauen in Bio zu gering. Deutschland zählt weltweit zu den größten Märkten für Bio-Lebensmittel. Und der Sektor wächst kontinuierlich. Dennoch zweifeln vier von zehn Deutschen an einem tatsächlichem Mehrwert von Bio für Gesundheit, Umwelt oder Tierwohl. Ein wesentlicher Grund dafür ist laut einer Studie ein mangelndes Verständnis darüber, was „Bio“ konkret bedeutet. Etwa in Bezug auf Anbau, Verarbeitung oder gesetzliche Vorgaben. Dieses Wissensdefizit führt dazu, dass viele Menschen Bio-Produkten mit Skepsis begegnen.
Vertrauen in Bio gering, weil viele nicht wissen, was „Bio“ bedeutet
Die Studie „Authentizität und Vertrauen bei Bio-Lebensmitteln“ sorgt für Aufsehen. Demnach glauben vier von zehn Deutsche, dass „bei Bio viel betrogen wird“. Die Forschenden untersuchten dabei das Wissen und die Einstellungen rund um das Thema Bio.
Das Ergebnis: Rund 20 Prozent der Befragten wissen gar nicht, wofür das Bio-Label steht. Und selbst unter denen, die Grundkenntnisse besitzen, ist das Vertrauen oft gering. Nur etwa ein Drittel glaubt, dass Produkte mit Bio-Kennzeichnung tatsächlich biologisch produziert wurden. 40 Prozent vermuten sogar, dass im Bio-Segment viel getäuscht werde. Fast jede fünfte Person geht davon aus, dass es zwischen Bio- und konventionellen Lebensmitteln überhaupt keine Unterschiede gibt.
Zwischen Idealbild und Realität
Das verbreitete Misstrauen führen die Studienautorinnen und -autoren auf zwei Hauptursachen zurück. Mangelndes Bio-Wissen und überzogene Erwartungen. Bio sei zu einem Symbol für eine „rundum guten Lebensmittel“ geworden, erklärt Professorin Antje Risius von der Georg-August-Universität Göttingen, die die Studie leitete. Viele Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten daher automatisch, dass Bio-Produkte besonders umweltfreundlich und tiergerecht sind. Werden diese Erwartungen enttäuscht – etwa durch in Plastik verpacktes Bio-Gemüse oder durch Bio-Obst mit langer CO₂-intensiver Lieferkette aus dem Ausland – schlägt die anfängliche Hoffnung in Skepsis um.
Mit dem Bio-Siegel werden somit allzu oft sehr hohe Erwartungen an Qualität, Gesundheit und Natürlichkeit verknüpft. Erwartungen, die das Siegel so überhaupt nicht einhalten kann – denn eine aus Australien importierte Frucht zum Beispiel, die einen großen ökologischen Fußabdruck hat, kann natürlich immer noch in Australien biologisch produziert worden sein!
Vertrauen in Bio und die Zusatzstoffe
Darüber hinaus glauben viele Konsument:innen, Bioprodukte seien frei von jeglichen Zusatzstoffen, immer regional oder automatisch besser für die Umwelt. Diese Erwartungen stimmen nicht immer mit der Realität überein.
Bio-Lebensmittel dürfen nämlich sehr wohl auch Zusatzstoffe enthalten, wenn auch in geringerem Umfang und unter strengeren Auflagen als konventionelle Produkte. Zum Vergleich: Während in konventionellen Lebensmitteln mehr als 300 Zusatzstoffe zugelassen sind, erlaubt die EU-Öko-Verordnung für Bio-Produkte nur 56 Zusatzstoffe.
Dabei sollte man auch wissen, dass nicht jedes Bioprodukt automatisch regional oder saisonal produziert wird – denn auch in anderen Ländern kann biologisch produziert werden, was, sobald wird dieses Produkt importieren, natürlich einen längeren Importweg beinhaltet. Und natürlich können auch bei Bio Verarbeitungsschritte und erlaubte Hilfsmittel zum Einsatz kommen.
Vertrauen in Bio gering: Produkt und Prozessqualität
Zudem ist es, laut den Studienleitenden wichtig, zwischen Produkt- und Prozessqualität zu unterscheiden, erläutert die Agrar- und Ernährungswissenschaftlerin Risius. „Während sich das Erstere unmittelbar am Produkt ausmachen lässt, etwa am Preis, am Aussehen oder dem Geschmack, lässt sich die Prozessqualität kaum direkt am Produkt selbst ablesen.“ Dabei ist aber auch die Prozessqualität etwas, was Bio eigentlich ausmacht, nämlich die Vorgaben, nach denen Tiere gehalten, Pflanzen angebaut und Produkte hergestellt werden müssen. Diese Hintergründe sind für die Konsumierenden jedoch nicht wirklich sofort einsehbar. „Ich muss als Konsument oder Konsumentin einen zusätzlichen Informationsaufwand betreiben, der im Alltag nicht leicht zu leisten ist“, erläutert Risius weiter.
Die EU-Bioverordnung, erkennbar am grünen Logo mit dem stilisierten Blatt aus Sternen, legt dabei klare Standards für die biologische Tierhaltung fest. So müssen Schweine die Möglichkeit haben, in natürlichem Einstreu zu wühlen, Rinder brauchen Zugang zu Weideflächen, und Legehennen müssen ins Freiland können. Eingriffe wie das Kupieren von Hühnerschnäbeln oder Schweineschwänzen sind in der Bio-Haltung strikt verboten. Außerdem dürfen die Tiere ausschließlich mit Bio-Futter versorgt werden. Ein Großteil davon muss direkt am eigenen Hof erzeugt werden.
Zusätzlich zu diesen EU-Mindeststandards setzen die deutschen Bio-Anbauverbände wie Bioland, Naturland oder Demeter meist noch strengere Kriterien, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.
Deutschland: Zielmarke für Bio-Landwirtschaft noch in weiter Ferne
Trotz steigender Umsätze mit Bio-Produkten bleibt der Ausbau der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland hinter den politischen Zielen zurück. Die Bundesregierung hatte in der vorherigen Legislaturperiode angekündigt, den Anteil biologisch bewirtschafteter Agrarflächen bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen – doch davon ist man weit entfernt.
Im Jahr 2023 bewirtschafteten laut BMEL insgesamt 36.680 Betriebe (14,4 % aller Betriebe) eine Fläche von 1.888.999 ha ökologisch. Dies entspricht einem Flächenanteil von 11,4 % an der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands. Im vergangenen Jahr stieg der Bio-Flächenanteil lediglich um 0,4 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Weltweit werden lediglich etwa zwei Prozent der Agrarflächen nach ökologischen Standards bewirtschaftet.
Trotz steigender Beliebtheit biologisch erzeugter Produkte machen die Ergebnisse der Studie deutlich, dass in der Gesamtbevölkerung einer gravierender Mangel an Bio-Wissen festzustellen ist.
Dabei gilt die Bio-Landwirtschaft als umweltfreundlicher: Sie schützt Böden und Klima, verzichtet auf chemisch-synthetische Dünger und Pestizide und trägt somit auch zum Erhalt der Artenvielfalt – insbesondere bei Insekten – bei.
Titelbild @ Dharma Saputra via unsplash (Zugriff 23.05.2025)