Fleischkonsum - Warum essen wir so viel Fleisch

Fleisch gehört fest zu unserer Esskultur. Dennoch essen wir deutlich mehr davon, als Gesundheit, Umwelt und Tierwohl vertragen. Doch warum fällt uns das Reduzieren so schwer? Ernährung ist nicht nur Geschmackssache, sondern hängt stark von sozialen Normen, Gewohnheiten und ökonomischen Faktoren ab. Genau hier setzt die Forschung der Soziologin Thea Xenia Wiesli an: Sie untersucht, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppen Fleischkonsum bewerten – und welche gezielten Ansätze Veränderung möglich machen. Dieser Artikel zeigt, warum es dafür maßgeschneiderte Strategien braucht und welche Rolle Biofleisch als hochwertige Alternative spielen kann.

Fleischkonsum in Österreich

Der Fleischkonsum liegt in vielen Industrieländern weit über den empfohlenen Mengen. Das hat deutliche Folgen für die menschliche Gesundheit, Umwelt und Tierwohl. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine wöchentliche Verzehrmenge von rund 300 Gramm Fleisch pro Person empfiehlt, liegt der Durchschnittskonsum in Österreich jedoch bei etwa 1,7 Kilogramm Fleisch- und Wurstwaren pro Woche. Also mehr als das Fünffache.

Dieser übermäßige Fleischkonsum steht im Zusammenhang mit einer erhöhten Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und bestimmte Krebsarten. Gleichzeitig verschärft er globale Ungleichgewichte in der Nahrungsmittelverteilung und trägt erheblich zum Klimawandel bei. Etwa 80% der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche sind für die Tierhaltung bestimmt, große Flächen (z. B. Regenwald) müssen für Futtermittel wie Soja gerodet werden, wodurch wertvolle Ökosysteme verdrängt werden.

Unsere Ernährung: ein soziales Konstrukt?

Doch warum essen wir Menschen überhaupt so viel Fleisch? Nicht weil unser Körper es so sehr braucht, wie die Soziologin Thea Xenia Wiesli von der Universität Innsbruck erklärt: „Ernährungsgewohnheiten werden von sozialen, kulturellen und sozioökonomischen Faktoren beeinflusst und soziale Gruppen und Schichten sind bei der Wahl ihrer Ernährung mit unterschiedlichen Bedingungen konfrontiert“. Unsere Ernährung hängt fest mit unserem Umfeld zusammen. Deshalb ist Wieslis Forschungsziel, die sozialen Unterschiede im Fleischkonsum zu beleuchten und zu analysieren, welche Faktoren in den einzelnen gesellschaftlichen Schichten das Essverhalten prägen und welche Rolle Fleisch dort heute noch als Statussymbol spielt. Auf dieser Grundlage sollen konkrete Ansätze entwickelt werden, die dazu beitragen können, den Fleischkonsum nachhaltig zu verringern.

Fleischverzehr und soziale Klasse

In ihrer Voranalyse hat sich die Forscherin bereits mit bestehenden soziologischen Theorien und Studien zum Fleischkonsum auseinandergesetzt. Diese Erhebungen zeigen deutlich, dass das menschliche Essverhalten stark zwischen sozialen Gruppen variiert und von Faktoren wie Einkommen, Bildung, Geschlecht, Alter oder kulturellen Normen beeinflusst wird.

In wohlhabenderen Gesellschaften zum Beispiel geht ein höheres Einkommen oder Bildungsniveau häufig mit einem reduzierten Fleischkonsum einher, während traditionelle Rollenbilder und gesellschaftliche Erwartungen in anderen Gruppen eher zu einem höheren Verzehr von Fleisch führen. Besonders Männer essen nachweislich mehr Fleisch als Frauen. Ein Muster, das unter anderem damit erklärt wird, dass Fleisch in vielen Kulturen eng mit Männlichkeit und Identität verbunden ist, während Frauen häufiger gesundheitsbewusste Ernährungsweisen bevorzugen.

Wiesli betont jedoch, dass der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und sozialer Schicht bislang kaum umfassend empirisch-quantitativ untersucht wurde. Genau hier setzt ihre aktuelle Forschung an: In zwei Projekten möchte sie diese Lücke schließen und hat dazu bereits erste Umfragen in drei Ländern durchgeführt.

Die Forschungsmethode

In einer Online-Vignettenstudie wurden von Wiesli repräsentativ je 1.000 Personen aus Österreich, Finnland und Großbritannien befragt. Dabei erhielten die Teilnehmer:innen alltagsnahe Szenarien, die in unterschiedlichen Varianten beschrieben waren. Ein Beispiel: Sie sollten sich ein Mittagessen mit Kolleg:innen vorstellen, bei dem verschiedene Speisen zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden, und anschließend angeben, welche Wahl sie treffen würden.

Diese Vignetten bilden zwar nicht exakt die Realität ab, haben jedoch den Vorteil, dass sie den Einfluss sozialer Erwünschtheit deutlich verringern – und dieser ist in diesem Themenfeld besonders hoch, erläutert die Forscherin. Durch ihre Methode lässt sich jedoch präzise untersuchen, welchen Einfluss Faktoren wie das soziale Umfeld, die verfügbaren Optionen oder die Preisgestaltung auf die Entscheidung für Fleisch, vegetarische oder pflanzliche Alternativen haben.

Maßgeschneiderte Interventionen

„Dieses Wissen bildet eine wichtige Voraussetzung, um maßgeschneiderte Interventionen setzen zu können, um von diesen enormen Dimensionen des Fleischkonsums wegzukommen“, so Wiesli. Bedeutet: Das man für jede soziale Gruppe ganz spezifische Ansätze braucht, um dort (bei der jeweiligen Gruppe) einen Rückgang des Fleischverzehrs herbeizuführen. Abhängig von den Ergebnissen ihrer Erhebung sollen dann maßgeschneiderte Ansätze entwickelt werden, die zu einer Minderung des Fleischkonsums führen.

Sobald die Daten final ausgewertet sind, möchte die Wissenschaftlerin auch Akteur:innen und Entscheidungsträger:innen miteinbeziehen und entsprechende gruppengerechte Handlungsempfehlungen erarbeiten, die auf die Bedürfnisse unterschiedlicher sozialer Klassen abgestimmt sind und so effektiv zur Entwicklung eines nachhaltigen Ernährungsstils beitragen können.

„Manchmal mangelt es einfach am Angebot leckerer pflanzlicher Menüs. Da fehlt in unserer Kultur möglicherweise das Wissen, wie man ohne Fleisch gut kochen kann“, nimmt Wiesli eine Möglichkeit vorweg. So sind in westlich geprägten Kulturen Gerichte mit der Hauptkomponente Fleisch gedacht und alles andere gilt als Beilage. „Von diesem Denken müsste man wegkommen, zum Beispiel auch über die Ausbildung in Kochschulen“, betont sie und ergänzt: „Es gibt auch die Möglichkeit mit Preisregulierung steuernd einzugreifen, das heißt, durch höheren Steuern auf Fleisch nachhaltige pflanzenbasierte Produkte zu subventionieren.“ – Denn auch der Preis ist nachweislich ein entscheidender Aspekt.

Wandel braucht Vielfalt der Ansätze

Der von Thea Wiesli verfolgte Ansatz zeigt, wie wichtig es ist, beim Thema Fleischkonsum die sozialen Unterschiede ernst zu nehmen. Die Wissenschaftlerin macht klar, dass jede gesellschaftliche Gruppe ihre eigenen Routinen, Werte und Hemmschwellen hat. Deshalb kann Veränderung auch nicht über ein einziges, allgemeingültiges Modell gelingen. Stattdessen braucht es maßgeschneiderte Interventionen, die dort ansetzen, wo Menschen tatsächlich stehen.

Das bedeutet auch: Nachhaltiger Wandel muss in unterschiedlichen Facetten kommuniziert werden, um wirklich Resonanz zu erzeugen. Ähnlich wie politische Kampagnen verschiedene Zielgruppen mit spezifischen Botschaften ansprechen, braucht es auch in der Ernährungsdebatte passgenaue Strategien, die Menschen in ihrem Alltag abholen. Positiv gewendet bedeutet das: Die Vielfalt der Kommunikation eröffnet mehr Wege, eine breite Bewegung in Richtung einer nachhaltigeren Ernährung zu schaffen.

Bio als Schlüssel für weniger, aber besseres Fleisch

Ein entscheidender Hebel liegt in der Frage, welches Fleisch wir essen. Biofleisch bietet hierbei eine überzeugende Alternative: Es steht für hohe Tierwohlstandards, strengere Umweltauflagen und eine transparente Herkunft. Wer seinen Fleischkonsum reduziert, spart nicht nur Kosten, sondern schafft sich gleichzeitig die Möglichkeit, beim verbleibenden Konsum auf hochwertige Bio-Produkte umzusteigen.

Damit wird Fleisch wieder zu einem besonderen Lebensmittel, das bewusst genossen wird. Zugleich entstehen aber auch Spielräume, um Ressourcen zu schonen und eine Landwirtschaft zu unterstützen, die ökologisch und ethisch verantwortungsvoll arbeitet. Weniger, aber besseres Fleisch kann so zum Schlüssel für eine gesündere Ernährung und eine nachhaltigere Zukunft werden.


Titelbild © tommao wang via unsplash (Zugriff 24.09.2025)