
Der Fleischkonsum steht zunehmend im Fokus gesellschaftlicher, gesundheitlicher und ökologischer Diskussionen. Während Forderungen nach einer Reduktion des Fleischverzehrs immer lauter werden, wirft dies zentrale Fragen auf: Wie sieht eine zukunftsfähige Fleischproduktion aus? Und welche Rolle können regionale Fleischerbetriebe in diesem Wandel spielen?
Die aktuelle Debatte zeigt: Es geht nicht um ein radikales „Weg vom Fleisch“. Sondern um ein „Hin zu besserem Fleisch“. Fleisch aus artgerechter Haltung, bio-regionaler Herkunft und nachhaltiger Landwirtschaft. Genau darin liegt eine enorme Chance für Österreichs Fleischwirtschaft.
Verringerter Fleischkonsum
Unlängst hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) in Deutschland empfohlen, die Mehrwertsteuer für Fleisch stetig zu erhöhen, um den Fleischkonsum unattraktiver zu machen. Ziel ist es den derzeitigen Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf tierische Erzeugnisse wie Fleisch und Milch, dem Steuersatz der pflanzenbasierten Fleischersatzprodukte anzupassen (19 Prozent). Diese steuerliche Ungleichbehandlung wirkt sich nämlich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit pflanzlicher Alternativen aus und stellt ein strukturelles Hindernis für deren Marktdurchsetzung dar, so der Bericht.
Auch zahlreiche Institutionen fordern bereits seit Langem eine Reduktion des Fleischkonsums. Nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch im Hinblick auf Klima-, Umwelt- und Tierschutz. Denn nur durch eine bewusste Verringerung des Fleischverzehrs lassen sich zentrale Herausforderungen wie der hohe CO₂-Ausstoß der Nutztierhaltung, der Flächenverbrauch, der Verlust an Biodiversität und die Belastung von Böden und Gewässern wirksam adressieren.
Weniger Quantität, mehr Qualität – eine Chance für die heimische Fleischbranche
Eine grundlegende Veränderung in unserem Ernährungssystem steht über kurz oder lang bevor. Doch das bedeutet keineswegs den Abschied vom Fleisch. Ganz im Gegenteil. Wie die aktuelle Analyse „Landwirtschaft im Wandel“ des Ernährungsökologen Martin Schlatzer zeigt, kann Fleisch weiterhin ein wichtiger Teil einer nachhaltigen Ernährung sein – vorausgesetzt, es stammt aus tierfreundlicher, ökologischer und bio-regionaler Produktion.
Die Ergebnisse der Analyse machen deutlich: Eine vollständige Umstellung auf biologische Landwirtschaft in Österreich wäre durchaus realisierbar. Vorausgesetzt, der Fleischkonsum würde um rund 10 Prozent sinken oder ein Viertel weniger Lebensmittel würde weggeworfen werden. Auf europäischer Ebene – einschließlich Großbritannien – könnten so im Jahr 2050 rund 530 Millionen Menschen durch rein agrarökologisch-biologische Bewirtschaftung ernährt werden. Bereits eine Reduktion des Fleischverzehrs in Österreich um lediglich 20 Prozent würde den Import umweltschädlicher Futtermittel-Soja, vor allem aus ökologisch sensiblen Regionen wie Brasilien und Argentinien, überflüssig machen. Das würde nicht nur zur Erhaltung der Regenwälder beitragen, sondern auch die Abhängigkeit von instabilen globalen Märkten verringern und die heimische Landwirtschaft insgesamt krisenfester und nachhaltiger gestalten.
„Unser Ernährungssystem steht an einem Scheideweg. Ein Weiter-wie-bisher bedeutet die Verschärfung von Hunger, Klima- und Biodiversitätskrise und sozialer Ungleichheit. Die Lösung liegt in einer grundlegenden Neuorientierung unseres Agrar- und Ernährungssystems – ganz im Sinne der Gesundheit für Planet und Mensch. Agrarökologie und biologischer Landbau, gepaart mit pflanzenbetonten respektive pflanzlichen Ernährungsweisen, können regionale Wertschöpfung und Versorgungssicherheit schaffen, externe Abhängigkeiten reduzieren und Klima und Umwelt schützen. Gleichzeitig stärken sie die bäuerliche Landwirtschaft und ermöglichen gesunde Ernährung für alle.“, bringt es Ernährungsökologe und Studienautor Martin Schlatzer vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Wien auf den Punkt.
Die zentrale Botschaft der Analyse ist somit: Eine stärker pflanzenbasierte Ernährung bedeutet nicht Verzicht auf Fleisch, sondern bewussteren Konsum. Genau darin liegt eine große Chance für Österreichs Fleischwirtschaft. Insbesondere für regionale Bio-Fleischereibetriebe. Gefragt sind Qualität statt Massenware, nachvollziehbare Herkunft statt anonymer Importe, und handwerkliche Verarbeitung anstelle industrieller Erzeugung.
Bio-Fleisch: Klimafreundlich und zukunftsorientiert
Im Gegensatz zur industriellen Tierhaltung, die oft mit erheblichen ökologischen Belastungen verbunden ist, belegen Studien, dass Fleisch aus biologischer und regionaler Erzeugung deutlich umweltschonender und darüber hinaus auch recht profitabel ist. So entstehen bei der Produktion von Bio-Schweinefleisch bis zu 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen im Vergleich zur konventionellen Haltung. Ausschlaggebend dafür ist der bewusste Verzicht auf importiertes Soja, künstliche Düngemittel sowie energieintensive Transportwege.
Ein besonders relevanter Aspekt: Würde der Fleischkonsum in Österreich um lediglich ein Fünftel sinken, könnte die gesamte derzeit importierte Sojamenge durch Eiweißpflanzen aus heimischem Anbau ersetzt werden. Das würde nicht nur die Versorgungssicherheit verbessern, sondern auch die Abhängigkeit von globalen Agrarmärkten verringern – und zugleich die regionale Landwirtschaft stärken.
Chancen für regionale Fleischereien im Wandel der Landwirtschaft
Fleischereien haben es nicht einfach. Waren 2005 noch 1.729 Fleischereien in Österreich aktiv, lag die Zahl im Jahr 2016 nur noch bei 1.285. Das bedeutet: Jeder vierte Metzger hat seit 2005 zugesperrt. Doch der zunehmende Trend zu einem bewussteren Fleischkonsum bringt für regionale Fleischereibetriebe neue Möglichkeiten mit sich. Immer mehr Konsument:innen entscheiden sich – bei sinkendem Gesamtverbrauch – gezielt für hochwertiges Fleisch aus artgerechter Haltung und aus der Region. Sie sind bereit, für Transparenz, Qualität und Herkunft auch mehr zu bezahlen. Die Nachfrage verschiebt sich somit: weg von anonymen Billigangeboten aus dem Supermarkt, hin zu handwerklich geführten Betrieben.
Besonders die persönliche Beratung, die direkte Vermarktung und die Offenheit über Herkunft und Tierhaltung verschaffen traditionellen Fleischereien diesbezüglich einen klaren Vorteil. Wer sich als Fachbetrieb für ethisch verantworteten Fleischkonsum etabliert, spricht eine wachsende Zielgruppe an, die bewusst konsumiert und großen Wert auf nachhaltige Produktion legt.
Nachhaltige Ernährung: Neue Perspektiven für das Fleischhandwerk
Der Wandel hin zu einer umwelt- und tiergerechten Ernährung bedeutet somit keineswegs das Aus für das traditionelle Fleischereihandwerk – vielmehr eröffnet er neue Chancen. Gefragt sind Fachleute, die nicht nur wissen, wie man Tiere respektvoll hält und Fleisch fachgerecht verarbeitet, sondern auch transparent über Herkunft, Haltung und Qualität informieren können.
Für Österreichs Fleischereibetriebe gilt: Wer heute auf Regionalität, biologische Standards und Tierwohl setzt, positioniert sich erfolgreich für die Zukunft. Denn ein reduzierter Fleischkonsum bedeutet nicht Verzicht, sondern bewusste Auswahl – und dafür braucht es Produkte mit Anspruch. Qualität statt Masse: Nur das Beste hat künftig Platz auf dem Teller.
Weniger Fleischkonsum gefragt: Planetary Health Diet
Auch in Hinblick auf die ökologischen Folgen unserer Ernährung ist eine Orientierung hin zu weniger und bewussterem Fleischkonsum unumgänglich. Denn unsere Ernährung hat enorme Auswirkungen auf das Klima. Rund 30 % der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch Lebensmittelproduktion. Etwa 70 % des Süßwassers wird dafür verbraucht. Gleichzeitig nimmt die Weltbevölkerung zu, und wir müssen Wege finden, alle Menschen ausreichend zu ernähren, ohne die Umwelt weiter zu zerstören.
Die Antwort auf dieses Dilemma ist die so genannte Planetary Health Diet. Das ist ein Ernährungsmodell, das 2019 von der EAT-Lancet Kommission vorgestellt wurde. Dahinter stehen 37 Wissenschaftler:innen aus Medizin, Landwirtschaft, Politik und Ökologie aus 16 Ländern. Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 eine Ernährung zu etablieren, die sowohl gesund für den Menschen als auch nachhaltig für unseren Planeten ist. Diese Ernährung basiert auch einer überwiegend pflanzenbasierten Ernährung, weniger Fleisch- und Milchprodukte – und wenn dann eben nachhaltig –, dafür mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkorngetreide, Nüsse und gesunde Pflanzenöle.
Ein bewusster Fleischkonsum
Eine nachhaltige Ernährung verlangt ein Umdenken – nicht nur bei Konsument:innen, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Regionale Fleischereien, die heute in Qualität, Tierwohl und ökologische Standards investieren, sind morgen gut aufgestellt. Denn der Trend zu weniger, aber bewussterem Fleischkonsum ist keine Bedrohung – sondern eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Chance. Das Fleischhandwerk hat Zukunft, wenn es sich neu positioniert: als Anbieter ehrlicher, hochwertiger Produkte mit nachvollziehbarer Herkunft. Die Devise lautet nicht Verzicht, sondern Verantwortung – für Klima, Umwelt und Genuss.
Titelbild © Sonnberg Biofleisch