EU Agrarbudget

Seit Jahrzehnten hat Österreichs Landwirtschaft mit dem Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe zu kämpfen. Nun senkt die EU auch noch das EU-Agrarbudget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Was das für Österreichs Landwirtschaft genau bedeuten könnte erfährt ihr hier.

Täglich verschwinden neun Bauernhöfe – Österreichs Landwirtschaft im Umbruch

Die österreichische Landwirtschaft erlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel: Zwischen 2020 und 2023 haben rund 10.000 landwirtschaftliche Betriebe geschlossen – das entspricht im Schnitt neun Höfen pro Tag. Besonders betroffen sind kleinere und nebenerwerbliche Betriebe unter 50 Hektar, während größere Höfe wachsen und aufgegebene Flächen übernehmen. Auch die Tierhaltung wird intensiver – mit steigender Tieranzahl pro Betrieb.

Der Rückgang ist nicht nur zahlenmäßig dramatisch: Immer weniger Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, heute sind es nur noch rund drei Prozent der Erwerbstätigen – einst waren es fast 13. Das Rückgrat bleiben Familienbetriebe, die oft über Generationen hinweg geführt werden. Doch sie stehen zunehmend unter Druck: wirtschaftliche Unsicherheit, bürokratische Hürden, fehlende Hofnachfolge und mangelnde gesellschaftliche Anerkennung gefährden ihre Existenz – und mit ihnen eine bäuerliche Kulturlandschaft, die weit mehr produziert als bloße Rohstoffe.

EU-Agrarbudget: EU mit Kehrtwende

Mitten in diesen eklatanten Rückgang der Landwirte und Landwirtinnen sorgt die EU mit einem weiteren Beschluss für einen Aufschrei. Denn das neue EU-Agrarbudget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) sieht ab 2028 einen festgelegten („ring-fenced“) Rahmen von etwa 300 Milliarden Euro bis 2034 vor. Was sich wie eine recht hohe Zahl anhört ist jedoch eine gravierende Senkung gegenüber dem aktuellen Förderzeitraum 2021–2027, in dem noch 386,6 Milliarden Euro zur Verfügung standen – also ein Rückgang der Mittel von über 20% (vor Inflation).

„Die Kommission schlägt vor die Direktzahlungen fortzuführen aber auch diese zu reduzieren. Die größten Kürzungen würden sich für österreichische Betriebe insbesondere im Zuge des Agrar-Umweltprogramms ÖPUL und im Bereich der Bergbauernförderung ergeben.“, erklärt Karl Dietachmair, Direktor Landwirtschaftskammer OÖ gegenüber LT1.

Die Kürzung pro Betrieb trifft dabei insbesondere höhere Einkommen: In einem Kompromissvorschlag hat die EU-Kommission festgelegt, dass Subventionen jenseits bestimmter Schwellenwerte stärker gekürzt werden. Wer beispielsweise mehr als 20.000 Euro jährlich an flächenbezogener Einkommenshilfe erhält, soll auf alles über diesem Betrag 25% weniger Zuschüsse erhalten. Oberhalb von 50.000 Euro wird sogar um 50%, und oberhalb von 75.000 Euro um 75% gekürzt. Maximal sollen 100.000 Euro pro Betrieb ausgezahlt werden. Die Unterstützung für größere Betriebe wird dabei gekürzt und auf diese 100.000 € gedeckelt, um eine gerechtere Verteilung sicherzustellen.

Ex-Agrarkommissar Franz Fischler sieht diesen Ansatz aus zwei Gründe als sinnvoll, wie er gegenüber dem Profil erklärt: „Erstens: Die Direktzahlungen sind sozial gedacht, nicht für Großbetriebe mit 1.000 Hektar Millionen und mehr. Zweitens: Diese Zahlungen stärken die Wettbewerbsfähigkeit großer Betriebe, die das Geld aber gar nicht für ihr Einkommen brauchen. Das führt zu Preisdruck und benachteiligt kleinere Betriebe… Förderpolitik darf nicht Ungleichheiten verstärken, sondern muss sie abbauen. Große Betriebe bekommen zu viel, kleine zu wenig. Deshalb Degression.“

Kürzungen mit Nebenwirkungen – Warum Österreichs bäuerliche Strukturen besonders unter Druck geraten

Auf den ersten Blick klingt die geplante Neuausrichtung der EU-Agrarförderung sinnvoll: Kleinere Betriebe sollen gezielter unterstützt, große Subventionsempfänger begrenzt werden – eine gerechtere Verteilung der Mittel. Doch für Österreichs Landwirtschaft, die stark auf kleinstrukturierte, ökologische und oft benachteiligte Betriebe im Alpenraum setzt, bringt dieses Vorhaben erhebliche Risiken mit sich.

Besonders betroffen sind Bergbauernhöfe und Teilnehmer:innen am ÖPUL-Programm, die für Leistungen wie Almwirtschaft, Biodiversität oder Tierwohl gefördert werden. Diese Höfe liegen oft in Hanglagen, wirtschaften mit erhöhtem Aufwand und erzielen geringere Erträge – können jedoch ohne gezielte Unterstützung wirtschaftlich kaum bestehen. Genau diese Zuschüsse werden nun deutlich gekürzt.

Das Österreichische Umweltprogramm (ÖPUL) belohnt Maßnahmen, die keine direkten Marktpreise erzielen – etwa späte Mahd, Weidehaltung oder der Verzicht auf synthetische Dünger. Doch diese zusätzlichen Leistungen kosten Zeit und Geld. Wenn Förderungen wegbrechen, geraten sie ins wirtschaftliche Abseits – obwohl sie ökologisch und gesellschaftlich hochrelevant sind.

Im Zuge des EU-Beitrittes ist es Österreich gelungen eine budgetäre Sonderdotierung für das Agrarumweltprogramm ÖPUL und die Bergbauern-Ausgleichszulage auszuverhandeln – über mehrere Finanzperioden hinweg bis heute.

„Dieses ,Herzstück‘ der österreichischen Agrarpolitik seit dem EU-Beitritt könnte mit dem gestern vorgelegten EU-Vorschlägen nachhaltig gefährdet sein.“, so Kammerpräsident Waldenberger.

Gleichzeitig sind viele österreichische Betriebe überdurchschnittlich abhängig von öffentlichen Geldern: Die Produktionskosten sind hoch, die Marktpreise niedrig. Mit der neuen Deckelung der Direktzahlungen (max. 100.000 € pro Betrieb) geraten nicht nur große Agrarkonzerne unter Druck, sondern auch mittlere Familienbetriebe, die viel für Umwelt, Kulturlandschaft und regionale Wertschöpfung leisten.

Hinzu kommt ein strukturelles Missverständnis: „Klein“ ist nicht automatisch gleich „benachteiligt“. Einige kleinere Betriebe wirtschaften in Gunstlagen profitabel – während schwer zugängliche, extensiv bewirtschaftete Bergbetriebe trotz kleiner Fläche aufwändige Pflege betreiben. Wenn die Förderung rein flächenbasiert oder pauschal nach Einkommen gekürzt wird, treffen die Maßnahmen am Ende genau jene, die man eigentlich stützen wollte.

Die geplanten Budgetkürzungen ab 2028 – ein Rückgang von über 20 % gegenüber dem aktuellen Förderzeitraum – gefährden also nicht nur „große Empfänger“, sondern die tragenden Pfeiler einer nachhaltigen, kleinteiligen Landwirtschaft in Österreich. Besonders kritisch: Programme wie ÖPUL oder die Bergbauernförderung stehen im Widerspruch zur EU-eigenen Green-Deal-Strategie. Was als gerechter gedacht ist, droht so zum strukturellen Abbau bäuerlicher Vielfalt zu werden.

EU-Agrarbudget: Gerecht oder gefährlich?

Ziel dieser Staffelung ist laut EU-Kommission eine fairere Verteilung – doch was in Brüssel als „soziale Gerechtigkeit“ erscheint, kann in der Praxis zu Verwerfungen führen. Denn viele ökologisch wirtschaftende Betriebe in Österreich sind großflächig – nicht aus Profitgier, sondern weil extensive Bewirtschaftung und Bergregionen mehr Fläche pro Tier oder Kultur benötigen. Diese Strukturen würden mit dem geplanten Deckel überproportional hart bestraft, obwohl sie oft besonders hohe Umwelt- und Sozialstandards einhalten.

„Die vorgelegten Entwürfe für den neuen Mehrjährigen Finanzrahmen und die künftige inhaltliche Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik widersprechen den diesjährigen Ankündigungen der EU-Spitze für eine höhere strategische Autonomie in der Lebensmittelversorgung sowie einer noch stärkeren Umwelt- und Klimaorientierung in der Land- und Forstwirtschaft. Genauso wenig sind darin wirksame Maßnahmen für eine ernsthafte wirtschaftliche Stärkung klein- und mittelbäuerlicher Betriebe sowie für praxiswirksame Schritte einer spürbaren Entbürokratisierung enthalten.“, erklärt Kammerpräsident Franz Waldenberger zu den präsentierten Kommissionsvorschlägen

Umwelt- und Sozialauflagen für landwirtschaftliche Betriebe wiederum sollen laut EU-Verordnung weiterhin nur freiwillig bleiben. Doch laut Fischler reicht diese Freiwilligkeit einfach nicht aus:

„Freiwilligkeit reicht nicht. Es braucht Mindeststandards. Die Auszahlung der Flächenprämien muss an Umweltauflagen gekoppelt sein. Gleichzeitig können darüber hinausgehende Leistungen freiwillig bleiben – etwa ob ein Betrieb biologisch wirtschaftet oder wie stark er die Düngung reduziert.“

Zudem setzt die Kürzungspolitik falsche Signale in einer Zeit, in der Landwirte ohnehin unter steigendem Preisdruck, Fachkräftemangel, Bürokratie und gesellschaftlicher Entfremdung leiden. Für viele könnte diese Maßnahme der sprichwörtliche letzte Sargnagel sein – besonders dann, wenn zusätzliche Auflagen und Umweltverpflichtungen bestehen bleiben, die ohne entsprechende Gegenfinanzierung kaum zu stemmen sind.

EU-Agrarbudget: Ein fragwürdiges „Fairness“-Modell

Die geplanten Kürzungen mögen gut gemeint sein – etwa im Sinne einer Umverteilung zu kleineren Betrieben. Doch ohne eine differenzierte Betrachtung regionaler Gegebenheiten, Bewirtschaftungsformen und tatsächlicher Leistungen der Höfe droht diese Reform, genau jene Strukturen zu schwächen, die eigentlich gefördert werden sollten: ökologisch wirtschaftende, sozial verantwortliche und landschaftserhaltende Landwirtschaftsbetriebe.

Gerade Österreich – mit seinem hohen Anteil an kleinstrukturierter Berglandwirtschaft – sollte sich frühzeitig dafür einsetzen, dass Zahlungskürzungen nicht pauschal, sondern nach ökologischer und gesellschaftlicher Leistung differenziert erfolgen.


Titelbild @ Christian Lue via Unsplash (Zugriff 06.08.2025)